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Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Titel: Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schleich
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sich hin schweigt und hinüber zum anderen Ufer blickt, einer menschenleeren, von Hochspannungsleitungen gesäumten Landschaftsattrappe.
    In uns keimt die Frage auf, was einen in diese künstliche Welt zieht, in diese traurigen Tropen unter fränkischer Frühsommersonne? Wer braucht diese künstlichen Verköstigungsbetriebe, die mit ihren Mini-Biergärten und von Brauereiwerbung gekrönten Bonsai-Maibäumen an Stein für Stein abgetragene und hier wieder aufgebaute Kleintierzüchtervereinsgaststätten in mittelfränkischen Marktgemeinden erinnern? Wie vieles, was man an touristischen Neueinrichtungen in diese neu geschaffene Seenlandschaft gestellt hat, tragen sie wässrig-maritime Namen, die da lauten »See-Stern«, »See-Bär« oder »See-Rose«, wir aber finden, dass man wenigstens eines auch »See-Lenlos« hätte nennen sollen, als Symbol für dieses Disneyland ohne Märchenschloss und Piratenbucht, dieses Spaßbad ohne Spaß, diese überregulierte Kunstwelt, geformt vom Gestaltungswillen bayerischer Ministerialbürokratie an der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert.
    Man sieht sie förmlich vor sich, die Beamten aus den verschiedenen Ministerien, wie sie in endlosen Sitzungen für ihre wasserwirtschaftlich sicherlich sehr sinnvollen Seen eine Garnitur aus touristischen Attraktionen planen: Hier könnte man doch einen Campingplatz hinbauen, dort einen Kanu-Schrägstrich-Fahrrad-Verleih oder wie wär’s mit einer Kleingolfanlage? Spielplätze braucht’s natürlich auch, Erlebnisspielplätze, so wie man sie heute nun mal hat, aber bittschön mit einer detailliert ausformulierten Spielplatzordnung, und vor allem Zufahrtswege für die Rettungskräfte und, natürlich, Parkplätze. Schaun mer mal … Gebühren … Pkw ab 8 Uhr drei Euro, ab 16 Uhr ein Euro, Kraftrad oder Mofa ab 8 Uhr einen Euro, ab 16 Uhr 0,50 Euro, Bus bis drei Stunden nix – klar, mir wollen doch was fürs mittelständische Omnibusgewerbe tun, ab vier Stunden fünf Euro, und, ganz wichtig, Herr Kollege: Keine Wohnwagen und Wohnmobile von 22 bis 8 Uhr. Ausrufezeichen!

    Anlegeberatung
    Aber all das sind nur die Fingerübungen für die »Satzung für die Benutzung der öffentlichen Strandanlagen und Freiflächen des Zweckverbandes Brombachsee«, die Magna Charta des neuen Fränkischen Seenlands – ein Regelwerk, das vom Umfang her die Verfassung eines Kleinstaats sein könnte, aufgestellt auf einer riesigen Tafel am Seeufer.
    »§1: Die Ufer des Großen Brombachsees sind unantastbar« … nein, Blödsinn, das nicht gerade. Aber wir erfahren immerhin, dass man weder Vogelnester ausnehmen, noch Tiere jagen oder fangen darf, dass man die Exkremente von mitgeführten Hunden und sonstigen Tieren (damit sind wohl Pinguine, Orang-Utans, Beutelratten und Elefanten gemeint) ohne Aufforderung unverzüglich auf eigene Kosten zu beseitigen hat, und dass »Kinder unter 6 Jahren ohne verantwortliche Begleitperson und Betrunkene« vom Platz verwiesen werden können, wobei sich natürlich gleich die Frage stellt, ob ein Kind, das zwar eine verantwortliche Begleitperson, aber keine Betrunkenen bei sich hat, nun am See bleiben darf oder nicht.
    Ehrlich, hier in dieser bis ins Letzte durchgestalteten Kunstland schaft ist wirklich alles geboten, vom Kanuverleih bis zur juristischen Volksbelustigung, aber wenn wir noch einen kleinen Vorschlag machen dürften: Eines fehlt vielleicht doch noch – ein gut ausgeschilderter Lehrpfad durch den Verbotsschilderwald. Vielleicht würde der ja die Touristen zurückbringen, die nach der Eröffnung des neuen Seenlandes erst in Scharen über den auf eine derartige Lawine nur unzulänglich vorbereiteten Landstrich hereinbrachen und dann auf einen Schlag wieder ausblieben, weil die Blaualgen kamen und mit ihnen das Badeverbot und der Blues.
    Am Abend sitzen wir dann in diesem ortlosen Hotel am Seeufer, einem zwanzig Jahre alten Kasten mit dem Charme sozialistischer Erholungsparadiese in Serbien oder Bulgarien. Zimmer mit Resopal- und Spanplattenmöbeln an langen Gängen, in denen man Rollschuh laufen könnte. Das »Schäufele mit Kloß« unten im Restaurant ist allerdings hervorragend und kann jeden oberbayerischen Schweinsbraten in seine Schranken verweisen, aber die fränkische Bedienung, die es uns serviert, macht ein Gesicht wie eine Eingeborene, die man gezwungen hat, herzlose Kolonialherren zu bedienen. So müssen sich die Engländer früher in Kenia oder auf Ceylon gefühlt haben, stellen wir fest.
    Unser Gespräch beginnt sich

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