Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke
nach dem Rechten sieht«, ist zuversichtlich, dass des schon noch was wird »mit dera Seligsprechung«. Man muss halt a wengerl Geduld haben, bis des in alle Sprachen übersetzt ist und so.
Er steht, die Hände vor einem kleinen Spitzbauch gefaltet, im Ausstellungsraum im Erdgeschoss und lässt uns nicht aus den Augen, als wir uns die doch ziemlich unappetitlichen Farbbilder anschauen, auf denen der Resl fast schwarzes Blut aus den Augen läuft. In einer Vitrine ein besonderes Exponat: eine »Herzkompresse mit Blutpfropf«, ein mit violett verblassten Flecken gesprenkeltes Stück Verbandsmull, auf dem ein auswurfähnliches Gebilde liegt, glänzend und unnatürlich rot, wie vierzig Jahre altes Blut eigentlich nicht mehr sein dürfte. Stehen wir vor einem Wunder und erkennen es womöglich nicht einmal?
Der Mann gibt uns dazu keine Auskunft, wohl aber über die Resl, die er noch gekannt hat, als kleiner Bub. »Mei, des war eigentlich a ganz normale Frau«, erzählt er. Resolut sei sie gewesen, wie der Oberpfälzer halt gern mal ist. Der Pfarrer, der die Resl »praktisch betreut« hat, habe ihn und die anderen Buben hin und wieder mal mit hinaufgenommen, ins Leidenszimmer, und hat ihnen die Resl gezeigt, wenn sie ihre »Zustände« hatte. »Sie hat ja jeden Freitag des Leiden g’habt, ned bloß am Karfreitag, und der Pfarrer hat’s uns genau erklärt, was des alles war: ›Jetzt ist er das dritte Mal gefallen, der Heiland‹, hat er zum Beispiel g’sagt, ned wahr.« Was genau die Resl dabei gemacht hat, als der Heiland das dritte Mal gefallen ist, darauf geht unser Augenzeuge nicht weiter ein.
»Ihr könnt’s ruhig ’naufgeh, ins Leidenszimmer«, bietet er uns an und lässt uns zu unserer Verwunderung ganz allein die steile Stiege hinaufsteigen. Oben angekommen, wissen wir, warum das so ist. Hier oben kann man keinen Unfug machen, denn das Leidenszimmer ist hinter Glas, was ihm ein bisschen was von den Reliquienkojen unter den Altären der Stiftskirche von Waldsassen gibt. Wir sehen ein schmales Bett, in dem die Frau mit dem durchgebluteten Kopftuch vor sich hin phantasiert haben soll. Manche sagen auf Aramäisch, der Sprache Jesu, die hier aber leider keiner verstanden hat, doch bestimmt war es was vom letzten Abendmahl, der Kreuzigung und der Krippe zu Betlehem, was denn auch sonst?
Eigentlich könnte der niedrige Raum mit seinem dunklen Kleiderschrank, dem abgewetzten Ohrenbackensessel vor dem kleinen Schreibtisch, den überall herumliegenden Spitzendeckchen und den mit schief stehenden elektrischen Kerzen versehenen hölzernen Wandleuchtern durchaus das Flair eines … nun ja, eines Oberpfälzer Hotelzimmers verströmen, wären da nicht eine große, in der Wand eingelassene Voliere für die Wellensittiche der Resl und vor allem der neobarocke Altar, der mit seinem überbordenden Gold- und Silberschmuck jeder Wallfahrtskapelle zur Ehre gereichen könnte. Hier jedenfalls – Leidenszimmer hin oder her – wirkt er vollkommen deplatziert. Wie ein herrschsüchtiges Wesen aus einer anderen Welt scheint er sich raumgreifend zwischen die beiden kleinen Fenster gedrückt zu haben, wo er jegliche Dimensionen sprengt und alles Menschliche erschlägt. Wir wissen nicht, wie und wann diese Monstrosität hierher gelangt ist, aber eines ist uns beiden klar: Man muss vielleicht keine Psychose haben, um so ein Zimmer jahrzehntelang zu ertragen, aber es hilft sicher ungemein.
Der größte Osterhase der Welt – Steinwaldhaus
Und wieder sitzen wir im Auto und fahren durch diese leicht melancholisch wirkende Oberpfälzer Landschaft. Eine alte Landschaft ist es, in Jahrmillionen abgewitterter Granit. Primärgestein. Helmut als studierter Geograf weiß so etwas.
Ein Sperber messert über der Straße durch die Luft, überfliegt mehrmals unser Auto, bevor er sich in einer scharfen Kurve auf eine Wiese hinabfallen lässt und unseren Blicken entschwindet. Auf sanft gewellten Feldern leuchtet gelb der Biosprit von morgen, hinter dem von ferne das Skelett einer aufgegebenen Fabrik zu sehen ist.
Alte Männer zockeln auf noch älteren Bulldogs durch die Ortschaften, vor der Tür einer Tankstelle schläft ein alter Hund so fest, dass man zum Bezahlen über ihn drüber steigen muss. Die Tanksäule hat hier noch die alten Ziffernwalzen, an denen Liter und Beträge herunterrattern wie die Kilometer auf analogen Autotachos, nur die Bezeichnung D-Mark hat jemand mit »Euro« überklebt. In der Tankstelle selbst riecht es nach
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