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Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Titel: Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schleich
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Zweitaktersprit und einem Luftverbesserer mit einer Kopfnote aus Bärwurz und Asbach-Uralt – eine Welt, in der einem die Werbeplakate für ein modernes Motoröl wie Botschaften aus einer fernen Zukunft vorkommen.
    Der Ort draußen ist wie ausgestorben. Ein einsamer Maibaum wankt bedächtig im Wind, und auf der Straße ist, abgesehen vom vorbeifahrenden Lieferauto eines Pizza-Service, kein Anzeichen für menschliches Leben zu entdecken. Gut, dass wir uns vom Tankstellenbesitzer noch haben sagen lassen, wie wir zum Steinwaldhaus kommen, das uns gestern Abend im Oberpfälzer Hof ein launiger Gast als einen Ort angepriesen hat, ohne den besucht zu haben man eigentlich nichts über die Oberpfalz schreiben dürfte. Es klang fast ein bisschen so, als hätte man umsonst gelebt, hätte man nicht wenigstens einmal dort im Drehrestaurant zu Mittag gegessen.
    Ganz unrecht hatte er nicht damit, denn das Steinwaldhaus – das sich uns mit seinem halben Dutzend Gebäuden eher wie ein Steinwalddorf präsentiert – deckt in unserer Zeitmaschine Oberpfalz die Epoche der späten 80er-, frühen 90er-Jahre ab. Während anderswo so etwas spätestens seit der Jahrtausendwende korrigiert wurde, haben sich hier die Geschmacksverirrungen jener Zeit konserviert wie eine Leiche im Moor: Frisch poliert, als wäre es eben erst fertig geworden, präsentiert sich uns ein Foyer mit einem in den Boden eingelassenen, unter grünlichen Panzerglasplatten dahinplätschernden künstlichen Bach und einem gigantisch überdimensionierten Zimmerbrunnen aus einem massiven Granitblock, auf dem sich eine rote Marmorkugel von der Größe eines Medizinballs dreht. Überdacht wird das Ganze von einer vielfach profilierten Kassettendecke aus unterschiedlichsten Edelhölzern, die in ihrer protzigen Materialfülle so gar nicht zu den futuristischen Sofas aus türkisem Leder passen will, die gut und gern aus dem Requisitenfundus der Fernsehserie Raumschiff Orion stammen könnten.
    Zu allem Überfluss sitzen mitten in diesem Stil-Wirrwarr auch noch zwei kindgroße Osterhasen aus Stoff in einer echten Schulbank, während an der Wand dahinter eine mit dem Siegel der Guinnessbuch-der-Rekorde-Redaktion geadelte Urkunde verkündet, dass hier, vor diesem Haus, am 20. März 2000 ein 16,27 Meter hoher Osterhase aus Holzplatten montiert wurde. Das dürfte, so vermutet man, zumindest damals der Weltrekord im Montieren von Osterhasen aus Holzplatten gewesen sein, Respekt!
    Ob seither irgendwo auf dieser weiten Welt irgendjemand versucht hat, einen noch höheren Hasen aus Holzplatten zu montieren, ist hier in diesem Foyer nicht in Erfahrung zu bringen, und deshalb gehen wir in dem Bewusstsein, möglicherweise im Haus eines nach wie vor amtierenden Weltmeisters zu weilen, zügig weiter ins Drehrestaurant, das ja irgendwie auch einen Eintrag in irgendein Buch irgendwelcher Rekorde verdient hätte. Vielleicht als das sich am langsamsten drehende Teufelsrad der Welt. Tritt man vom sich nicht drehenden Teil des Restaurants aus auf die rotierende Platte, ist es nur ein kleiner Schritt, ein rasch vorübergehender Moment der Irritation, der den kaum merklichen Übergang markiert von einer Welt, die statisch in sich ruht, in eine andere, die sich so perfide langsam im Kreis bewegt, dass man schon eine Weile einen bestimmten Punkt fixieren muss, um sich dieser Tatsache bewusst zu werden. Man kommt sich vor wie ein Baron Münchhausen, der rittlings auf dem Minutenzeiger einer Uhr sitzt. Einem Minutenzeiger freilich, auf dem es eine Spirituosenkarte mit regionalen Schnapskreationen wie dem »Wurzelstolperer« oder dem »Schlucksobinaschaugstscho« gibt.

    Stil-Potpourri mit Osterhasen
    Vermutlich braucht man so was nach einiger Zeit auf dieser Höllenscheibe, vor deren Fenstern eine Holzbrüstung mit angeschraubten Ortsnamen vorbeizieht: Tirschenreuth, Plössberg, Flossenbürg – war da nicht ein KZ? –, Tiefbohrung … Lägen nicht hellgraue Wolken über den Hügeln des Steinwalds, könnte man die ausgelobten Landmarken vielleicht sogar sehen. So aber steigt mit der Zeit eine leichte Übelkeit in uns auf, weil das Auge keinen Fixpunkt mehr findet. Hatte man beim letzten Aufblicken von der Speisekarte noch die architektonische Entsprechung eines auf einer verstimmten Hammond-Orgel gespielten Jodlers vor Augen – sprich: eines der Nebengebäude des Steinwaldhaus-Komplexes –, so fällt der Blick beim nächsten Mal auf ein älteres Ehepaar im Nicht-Dreh-Bereich des Restaurants. »Herr

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