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Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Titel: Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schleich
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wendet, wechseln sie fünf Minuten vor zwölf die Seiten und treten dem ins Taumeln Geratenen noch rasch gegens Schienbein, um sich bei den neuen Siegern England, Preußen und Österreich einzuschleimen. »Ja mei, so san mir halt: San ma de Mehrern, san ma de Schwerern, wer ko, der ko, der Ober sticht den Unter, de Andern machen’s doch genau so, und jetzt lasst’s uns unser Ruah!«
    Wer soll es uns Bayern groß verübeln, dass wir schon damals kein Rückgrat hatten, denken wir, während eine Mutter ihre in einem FC-Bayern-Trikot steckende Tochter vor einer der barfüßigen Siegesgöttinnen ablichtet. Staaten haben nicht nur im 19. Jahrhundert ihre Koalitionen oft schneller gewechselt als ihre Monarchen die Unterwäsche. Dass aber Ludwig I. – zur Zeit der Befreiungskriege Kronprinz und in heftiger Opposition gegen seinen zunächst noch franzosenfreundlichen Vater – zur Erinnerung an diese wenig rühmliche Tat so einen deutschtümelnden – Pardon, Ludwig hätte natürlich »teuschtümelnden« gesagt – Palast wie diese Befreiungshalle in die bayerische Landschaft stellt, gibt einem schon zu denken, ebenso wie die Verbissenheit, mit der er selbst nach seiner Abdankung 1848 Jahr für Jahr einen Teil seines Ruhegehalts in den Weiterbau seines Siegestempels steckt.
    Das muss man sich einmal vorstellen: Da geht in den Jahren zwischen 1848 und 1866 überall in den Klein- und Mittelstaaten des Deutschen Bundes die Angst vor einem alles sich einverleibenden Preußen um, da versucht Ludwigs Sohn Maximilian verzweifelt, sein Land auf einem Kurs zu halten, der dessen staatliche Eigenständigkeit bewahrt. Und was macht sein Vater, der Herr Ex-König? Er hat nichts anderes im Sinn, als mit seiner Befreiungshalle hoch über der Donau preußischem Militarismus und alldeutscher Großmannssucht ein monumentales Denkmal zu setzen.

    Rhythmische Sportgymnastik für Siegesgöttinen
    Eine bayerische Doppelzüngigkeit, die sich auch später immer wieder mal zeigt. Wenn Bayern den Hitlerputsch im Gewehrfeuer seiner Polizisten scheitern lässt, danach aber dem Wiederaufstieg der Nazis fast tatenlos zusieht; wenn Bayern das Grundgesetz ablehnt und trotzdem nach 1945 keine Anstalten macht, wieder ein vollwertiger Staat zu werden; wenn heute die CSU gegen europäische Regelungssucht wettert und gleichzeitig Direktiven aus Brüssel mit musterschülerhaftem Übereifer in Verordnungen gießt, dann zeigt sich überall dieses ganz spezielle Janusgesicht unter dem gamsbartgeschmückten Trachtenhut.
    Steht man vor der Walhalla oder der Befreiungshalle darf man sich dann schon mal fragen, wer von den beiden Ludwigs eigentlich den größeren Knall hatte: der Erbauer von Herrenchiemsee und Neuschwanstein oder der Schöpfer solcher »Nationalmonumente«?

Alte und neue Heimat
    Schongau – Zeigt mir den Kopf von Franz Josef Strauß …
    »Durch das Münztor und dann scharf rechts!«
    Das war zur Abwechslung mal nicht das Navi, das war Helmut, und wäre es nicht so gefährlich, mit geschlossenen Augen Auto zu fahren, könnte man sagen: Helmut kennt den Weg in seiner Geburtsstadt Schongau auch heute noch blind. Zumindest, wenn er an Orte führt, die für ihn interessant sind. »Durch die Bauerngasse und dann vor das ehemalige Schongauer Schloss.«
    Da steht es also, das erste – und unseres Wissens einzige – Strauß-Denkmal in Bayern. Eine Stele aus rötlich schimmerndem, im Rautenmuster poliertem Granit, auf der ein ziemlich mürrisch dreinblickender Bronzekopf des Großen Vorsitzenden drapiert ist wie eine auf einer Platte angerichtete Jagdtrophäe. Auch wenn man sofort an Machenschaften politischer Gegner denkt (wieso roter Granit, wieso nur der Kopf, der aussieht wie abgeschlagen?), versichert eine Bronzetafel an der Seite der Stele glaubwürdig, dass es der Schongauer Ortsverband der CSU war, der seinem Gründungsmitglied 1989 diese Ehre angetan hat. Man kann sich seine Bewunderer eben nicht aussuchen.
    »Und seine politischen Ämter auch nicht«, meldet sich auch schon unser privater FJS zu Wort. »Jedenfalls nicht nach dem Krieg. Da hat man nehmen müssen, was man gekriegt hat.«
    Ja, klar, wissen wir. In Altenstadt bei Schongau am 8. Mai 1945 in Kriegsgefangenschaft geraten, am 1. Juni von den Amerikanern zum Schongauer Landrat gemacht. Schicksale gibt’s …

    Der Mann im Granit
    »Ässistänt Ländrät. Because I spoke a werry gud Inglisch. ICH war es doch, der den Amerikanern erst einmal erklärt hat, dass ›Landrat‹ nicht das

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