Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke
englische Wort für Landratte ist …«
Okay. Very good. Aber lassen wir das. Einen Landrat gibt es nämlich in Schongau schon lange nicht mehr, denn bei der Gebietsreform Anfang der 70er-Jahre wurden Stadt und Umgebung trotz heftiger Proteste dem Landkreis Weilheim zugeschlagen. Vielleicht ist ja das Denkmal mit dem abgeschlagenen Strauß-Kopf die subtile Rache der Schongauer dafür, dass der eben nur vermeintlich allmächtige Parteivorsitzende Strauß – ein erklärter Gegner dieser Fusion – die Demütigung trotz mehrmaliger Intervention von Bonn aus nicht verhindern konnte.
So mächtig, wie manche heute glauben, war eben auch er nicht. Da war der Wittelsbacher Herzog Christoph der Starke schon aus einem anderen Holz geschnitzt. Der hat im 15. Jahrhundert immerhin einen sieben Zentner wiegenden Stein neun Fuß weit geschleudert, wie eine kraftmeiernde Wandmalerei an der Südwand des Schongauer Schlosses anschaulich darstellt. Von Franz Josef Strauß sind derlei sportliche Höchstleistungen nicht überliefert.
»Aber dafür habe ich mit starken Worten um mich geworfen.«
Oh ja, wir erinnern uns noch gut daran, wie du kritische linke Schriftsteller als Ratten und Schmeißfliegen bezeichnet hast. Und bei der Schleyer-Entführung im Herbst 1977 von Helmut Schmidt verlangt hast, jeden Tag einen der inhaftierten RAF-Terroristen erschießen zu lassen …
»Ich hab da eher an was anderes gedacht. Wie ich Helmut Kohl einen Filzpantoffelpolitiker genannt hab und den Genscher eine Mischung aus schlauem Sachsen und libanesischem Rosinenverkäufer. Da muss man erst einmal draufkommen!«
Es ist schon erstaunlich, wie viel Oberwasser der stets in Helmut steckende FJS hier an dieser ehemaligen Stätte seines Wirkens bekommt. Und während wir vor seinem missglückten Denkmal stehen, empfinden wir eine gewisse zeitgeschichtliche Ironie angesichts der Vorstellung, dass der ehemalige rechts-konservative Schongauer Landrat ausgerechnet einem ehemaligen Schongauer Buben einen gewaltigen Schub in seiner kabarettistischen Karriere gegeben hat. Zu Strauß’ Lebzeiten wäre das alles vermutlich etwas anders gelaufen.
Der leibhaftige Strauß hätte es wohl kaum geduldet, dass da ein wiederauferstandener Franz Josef unter dem Ziehen sämtlicher Strauß’scher Brachialregister posthum gegen seine CSU und sein Gedankengut wettert – und das vor einem Publikum, das manchmal in die Tausende geht. Wie an jenem 3. Oktober 2012 auf dem Münchner Odeonsplatz, dem Tag der Deutschen Einheit, der ja pikanterweise zugleich Strauß’ Todestag ist.
»Das sieht diesem Helmut Kohl wieder mal ähnlich, diesem Pfälzer Politsaumagen: Ausgerechnet an dem Tag, an dem ich von allen meinen irdischen Ämtern zurückgetreten bin, seine sogenannte Deutsche Einheit auszurufen. Dabei bin ICH der wahre Vater der Einheit. Wer hat denn schon 1985 dem Gorbatschow gesagt: ›Den Kommunismus effizienter machen zu wollen ist, als wolle man Schneebälle rösten.‹ – Da bleibt nix übrig.«
Ja, und zwei Jahre später bist du an Weihnachten eigenhändig nach Moskau geflogen. Im Schneesturm, und mit der halben CSU-Spitze an Bord.
»ICH war damals eine größere Gefährdung für den internationalen Luftverkehr, als es jeder isländische Vulkan oder islamistische Terrorist jemals sein wird. Und wie ich dem Gorbatschow dann noch meine Begleiter vorgestellt habe: den kreativen Steuersparer Gerold Tandler, den Euro-Chaoten in spe Waigel, den späteren G8-Versemmler und Transrapid-Verlierer Stoiber und den Verbal-Rocker Scharnagl, da hat sich der Gorbatschow doch gesagt: Bevor diese Typen noch mal bei uns einfallen, mach ich lieber die Mauer auf.«
Jaaa, Franz Josef. Wissen wir. DU bist verantwortlich für den sächsischen Kellner, der uns vorhin beim Mittagessen eine halbe Stunde lang auf unsere Getränke hat warten lassen …
Aber da ist noch etwas anderes: Als »unser« Strauß am Odeonsplatz genau diese Worte sagte, brach das Einheitsfeierpublikum, genervt von den zuvor auf Großleinwänden übertragenen europaseligen Feiertagssalbadereien der »echten« Politiker, in erleichtertes Gelächter aus, in einen befreiten Jubel wie in alten Zeiten. Sehnsucht heißt ein altes Lied der Taiga, und Sehnsucht war da am Odeonsplatz überdeutlich zu spüren, Sehnsucht nach Klarheit, deftigen Worten und politischer Überschaubarkeit.
Diese Sehnsucht, bei der einem beileibe nicht immer wohl ist, spielt sicher auch mit, wenn ältere Menschen in die Fahrradbremsen treten,
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