Daisy Goodwin
immer wieder, ob sie den Rest des
Sommers nicht in
Europa verbringen sollten, wo es
beträchtlich leichter
für sie wäre, Prinzessinnen zu werden.
Ich habe vergebens angemerkt, dass ein Marquis oder ein Graf der diesen Titel in England seit Generationen
trägt, nichts Geringeres ist als ein Prinz auf dem Kontinent, aber da Sie nun Herzogin sind, haben sie nichts anderes im Sinn, als Ihnen den Rang abzulaufen!
Cora
lächelte. Sie wusste, dass Mrs. Wyndham ihre vielversprechendsten Schützlinge
nicht an Paris oder Italien verlieren wollte, wo es zahlreiche Prinzen und
Herzöge gab. Winaretta Singer, die Erbin des Nähmaschinen-Imperiums, war für
ihr Debüt direkt nach Paris gegangen und hatte acht Wochen nach ihrer Ankunft
den Prinzen de Polignac geheiratet. Die Prinzen in England hatten königliches
Blut und waren für amerikanisches Geld nicht zu bekommen. Aber Cora beneidete
die neue Prinzessin de Polignac nicht. Sie hatte die Pariser Gesellschaft als
noch weniger einladend empfunden als die Londoner Gesellschaft. Dank mehrerer
französischer Gouvernanten sprach Cora die Spra che recht flüssig, aber
trotzdem hatte sie Mühe gehabt, dem abgehackten Schnattern des Pariser bon ton
zu folgen. Außerdem sagte man, dass alle Franzosen Geliebte hätten, ob sie nun
verheiratet waren oder nicht. Sie erinnerte sich, im Bois de Boulogne eine
hinreißende Frau gesehen zu haben. Sie hatte ein gestreiftes lila Seidenkleid
getragen, das mit schwarzer Spitze besetzt war, aber es war ihr geschmeidiger
Gang gewesen, der Cora fasziniert hatte. Sie bewegte sich so fließend, dass
Cora sie anstarren musste – einfach um der Freude willen, sie über die Kieswege
des Bois gleiten zu sehen. Als sie Madame St. Jacques, ihre Begleiterin in
Paris, gefragt hatte, wer die Frau war, hatte diese ganz sachlich gesagt, es
sei Liane de Rougement und sie befinde sich derzeit unter dem Schutz des Barons
Gallimard. «Obwohl man hört, dass sie ihre Gunst auf den Duc de Ligne übertragen
könnte.» Cora hatte versucht, ihr Erstaunen zu verbergen. Sie hatte gewusst,
dass es solche Frauen gab, natürlich, aber sie hatte nicht erwartet, sie so
tadellos gekleidet inmitten der Pariser Hautevolee zu sehen. Nein, sie
beneidete die Prinzessin de Polignac nicht um ihren Titel.
Cora überflog den Rest von Mrs.
Wyndhams Brief, in dem immer auch die Herkunft der erwähnten Leute ausgeführt
wurde: Gestern Abend war ich bei
den Londonderrys,
die Marquise ist natürlich eine
Percy und durch
ihre Mutter mit den Beauchamps
verwandt. Cora
verstand, warum sie das machte, dies war Wissen, das Madeleine Wyndham für
grundlegend hielt, wenn die amerikanische Herzogin jemals mit ihrem neuen
Hintergrund verschmelzen wollte. Cora fand dieses Netz der Verbindungen eher
ermüdend, aber der vorletzte Absatz weckte ihr Interesse. Mrs. Wyndham
beschrieb die Tableaux Vivants, die Lady
Salisbury zugunsten des Roten Kreuzes veranstaltet hatte. Die Herzogin von
Manchester war als Queen Elizabeth erschienen,
Lady Elcho war Boadicea gewesen, in einem Streitwagen, der von echten Ponys
gezogen wurde, das Pièce
de résistance hatte
Charlotte Beauchamp als Johanna von Orléans sein sollen, die jedoch in der
Zeit zwischen der Kostümprobe am Morgen und der Veranstaltung am Abend einfach
verschwunden war. Am Ende musste Violet Paget ihren
Platz einnehmen, aber
sie war kein Ersatz für Lady Beauchamp.
Ich habe gesehen, dass Sir
Odo, der im Publikum saß, keine Ahnung hatte, wo seine Frau abgeblieben war, obwohl er sagte,
sie habe am Morgen über Kopfschmerzen geklagt. Ich persönlich fand, dass sie bei der Kostümprobe wie das
blühende Leben aussah. Sogar Seine Königliche Hoheit äußerte Besorgnis.
Cora überraschte diese Geschichte.
Sie konnte sich kaum vorstellen, was Charlotte davon abhalten sollte, in
Anwesenheit des Prinzen und der Prinzessin von Wales im Mittelpunkt der
Aufmerksamkeit zu stehen. Es kam ihr unwahrscheinlich vor, dass etwas so
Triviales wie Kopfschmerzen Charlotte davon abhalten würde, an einem solchen
Ereignis mitzuwirken. Die Rollen in Lady Salisburys Tableaux Vivants waren sehr begehrt.
Hauptrollen waren den anerkannten Schönheiten der Zeit vorbehalten. Es musste,
dachte Cora, etwas Bedeutsames sein, weswegen Charlotte nicht in ihrem
Johanna-von-Orléans-Kostüm auf die Bühne kam, ihre langen schlanken Beine nur
mit einer Hose bekleidet.
Am Ende des Briefes, nach einem
dezenten Hinweis darauf, dass Cora ihre Zwillingserbinnen vielleicht einmal
einladen
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