Daisy Goodwin
fast
stimmte, nur wegen der leichten Tönung ihrer Haut würde sie nie für eine Dame
gehalten werden.
Er tippte die Nachricht ein – Bitte kommen
Sie sofort, Cora Wareham. Als er fertig war und vom Postamt in Cavendish
Square eine Bestätigung erhalten hatte, sah er wieder die Zofe an. «Es ist
durchgegangen, Miss ...»
«Jackson.» Ihre Stimme war tief, und
sie hatte einen starken Akzent.
«Ich werde einen der Jungen mit der
Antwort schicken, Miss Jackson.»
Bertha schüttelte den Kopf. «Die
Herzogin möchte, dass ich warte.»
Mr. Veale juckte es unter dem
steifen Kragen seiner Uniform. Dass seinen Jungs keine geheimen Nachrichten
anvertraut wurden, erboste ihn. Er wollte protestieren, aber dann dachte er
daran, dass die Herzogin und ihre Zofe beide Ausländerinnen waren. Sie wussten
nicht, wie man diese Dinge hier hielt.
«Nun, wenn Sie sich dann setzen
wollen, Miss Jackson.» Er sprach deutlich, um sicherzugehen, dass sie ihn
verstand, und deutete auf die Holzbank, die an
der Wand des Postamts stand.
«Danke, aber ich bin lieber an der
frischen Luft. Ich werde ein bisschen im Dorf spazieren gehen.»
Mr. Veale
betrachtete sie, als sie im Eingang stehen blieb und ihren Sonnenschirm
aufspannte. Von diesem Blickwinkel aus, wenn sie ihm den Rücken zuwandte, sah
sie wirklich aus wie eine Lady.
Bertha bummelte die Dorfstraße hinunter.
Sie war erst ein- oder zweimal in Lulworth gewesen, seit sie im Schloss
wohnten. An ihren wenigen freien Tagen ging sie lieber in den Park oder blieb
in ihrem Zimmer und las illustrierte Zeitschriften. Es war eine recht hübsche
Straße, die Häuser waren alle aus den gleichen grauen Steinen erbaut, die
Dächer waren größtenteils aus Stroh, obwohl einige größere Häuser auch
Schieferdächer hatten. Bertha hatte gestaunt, als sie zum ersten Mal
strohgedeckte Häuser gesehen hatte. Miss Cora hatte sie malerisch gefunden,
aber Bertha fand, dass sie schäbig wirkten. Ihrer Meinung nach sahen die
überhängenden Dächer aus wie die struppigen Augenbrauen alter Männer. Sie
drehte ihren Sonnenschirm. Seine Farbe passte genau zu der Farbe ihrer hellen
Bluse. Miss Cora hatte beides zusammen bestellt; sie benutzte nur Sonnenschirme,
die zu ihrer Kleidung passten.
Bertha war bewusst, dass sie
beobachtet wurde, als sie die Straße hinunterging. Ein paar Frauen hängten
Wäsche auf, es war ja ein schöner Tag, und auf der Bank auf dem runden Platz
saßen dicht beieinander ein paar alte Männer. Als sie in Dorset angekommen
waren, hatte es sie überrascht, wie klein die Dorfbewohner waren. Zu Hause war
sie zwar auch groß, aber nicht übermäßig, hier jedoch fühlte sie sich wie eine
Riesin. Regelmäßig sah sie Männer auf dem Feld arbeiten, die ihr nur bis zur
Schulter gingen. Bertha betrachtete die Häuschen mit den niedrigen Türen und
fragte sich, ob die Bewohner vielleicht einfach nicht den nötigen Platz zum
Wachsen hatten. Als sie an einer Wäscheleine vorbeiging, sah sie, wie geflickt
und abgetragen die Kittel und Unterröcke waren, und sie musste an die
Wäscheleinen in South Carolina denken. Sie strich ihre Röcke glatt, das seidene
Material erinnerte sie daran, dass sie diesem ärmlichen Leben entkommen war.
Wären der Reverend und Mrs. Cash nicht gewesen, wäre sie jetzt genauso eine
Frau, die Lumpen aufhängt. Sie fragte sich, ob ihre Mutter ihren letzten Brief
und das Geld bekommen hatte. Sie hatte ihr fünfundzwanzig Pfund geschickt, das
waren hundertfünfundzwanzig Dollar. Wie viele Mütter hatten Töchter, die ihnen
so viel Geld schicken konnten? Der Gedanke und das Rascheln ihres Seidenrockes
lenkten sie nur unzureichend davon ab, dass sie nicht mehr von ihrer Mutter
gehört hatte, seit sie nach England gekommen war, und dass sie ihr Gesicht
nicht mehr vor sich sehen konnte, egal wie fest sie die Augen zukniff.
Sie machte kehrt und ging zurück zum
Postamt. Mr. Veale stand in der Tür und winkte ihr zu. «Die Antwort ist da, Miss
Jackson.» Er reichte ihr das Telegramm. Komme mit Fünf-Uhr-Zug, Julius Sercombe. Bertha ließ erleichtert die Schultern sinken und steckte das Papier in die
Tasche.
«Ist das
alles, Miss Jackson?», fragte Mr. Veale neugierig. «Ja, danke sehr.»
«Es ist wohl alles in Ordnung im
Schloss? Es herrscht sicher große Aufregung, weil der Herzog zurückkehrt.»
Bertha nickte und griff nach den
Zügeln des Eselskarrens; ihr war klar, dass Cora die Minuten bis zu ihrer Rückkehr
zählte.
Der Postmeister räusperte sich.
«Bitte
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