Daisy Goodwin
hochstieg.
«Bestimmt bringt Mr. Bugler das
Telegramm gleich hoch, Miss Cora. Vielleicht möchten Sie sich fertig machen?»
Cora wandte den Blick immer noch nicht vom Baldachin ab.
Allmählich ärgerte sich Bertha
darüber. Wenn Cora die Dinge nicht so sehen wollte, wie sie waren, dann musste
sie selbst sie eben darauf hinweisen. In letzter Zeit hatte sie bis weilen das
Gefühl, Coras Mutter zu sein, nicht ihre Zofe. Sie sagte forsch: «Wenn ich nach
fünf Monaten aus Indien zurück nach Hause käme, wäre es mir lieb, wenn meine
Frau angezogen ist und sich freut, mich zu sehen, statt in ihrem Bett zu
liegen und an die Decke zu starren. Kommen Sie, Miss Cora, Sie wollen doch
nicht, dass Mr. Bugler Sie so sieht.»
Cora seufzte und rollte sich auf die
Seite, ehe sie sich nach oben drückte. Sie rieb sich mit dem Handballen die
Augen. «Schon gut, schon gut, du kannst aufhören, mich zu schelten. Du hast
natürlich recht, Bertha. Bugler würde direkt zu Herzogin Fanny laufen, und
dann kommt sie hoch und mischt sich ein. Gott, ich dachte, meine Mutter wäre
schon schlimm genug, aber die Herzogin ist wirklich der Gipfel.» Sie streckte
die Hände aus und ließ sie dann in ihren Schoß fallen. «Ich verstehe einfach
nicht, warum Ivo nicht sofort nach Hause gekommen ist.»
Bertha war fast fertig damit, Coras Haar
hochzustecken, als Bugler mit einem Silbertablett hereinkam, auf dem das Telegramm
lag. Cora öffnete es ohne Eile und ließ das Telegramm auf das polierte Tablett
fallen, als sie es gelesen hatte.
«Der Herzog wird heute Abend zum
Dinner da sein, Bugler, wenn Sie das die Köchin wissen lassen würden. Ich bin
sicher, dass sie etwas Besonderes vorbereiten möchte.»
Bugler neigte den Kopf so wenig wie
möglich. «Ich glaube, die Herzogin von Buckingham hat bereits mit Mrs.
Whitchurch gesprochen, Euer Gnaden.»
Bertha war beeindruckt von Coras
Reaktion auf diese Nachricht. Sie lächelte nur, ohne dabei die Zähne zu zeigen,
und sagte: «Tatsächlich! Wie umsichtig von ihr.» Sie legte die Hand auf ihr
Haar und zog eine Locke heraus, die sie sich immer wieder um den Finger
wickelte. Bugler wollte offensichtlich wieder gehen, aber er musste warten,
bis er von Cora entlassen wurde.
«War das
alles, Euer Gnaden?»
«Ja, ich denke schon, Bugler. Nein,
eigentlich habe ich noch eine Bitte.» Sie sprach via Spiegel mit Bugler. «Das
Bouquet von Herzogin Fanny, das von ihrer ersten Hochzeit ... Ich dachte, ich
hätte darum gebeten, es aus der Galerie zu entfernen. Bitte kümmern Sie sich
doch darum, ehe der Herzog eintrifft.»
Cora traf im Spiegel auf Berthas
Blick und reckte das Kinn. Bertha sah, dass ihre Herrin nicht mehr so mürrisch
aussah und wieder etwas Farbe im Gesicht hatte. Als sie mit Coras Haar fertig
war, trat sie einen Schritt zurück und sagte: «Sie sehen heute sehr hübsch aus,
Miss Cora.»
Cora sah sich nach Bertha um.
«Findest du wirklich? Ich habe mich so verändert. Als Ivo abreiste, habe ich
noch ein Korsett getragen. Wäre er hier gewesen, hätte er sich langsam daran
gewöhnen können, wie ich ... dicker werde.» Sie legte eine Hand auf den Bauch.
«Es wird ein ziemlicher Schock für ihn sein, wenn er mich sieht.» Sie nahm die
schwarze Perlenkette aus ihrem grünen, samtigen Bett und reichte sie Bertha.
Bertha schob den goldenen Haken
durch die Öse und beides zusammen in die Diamantenschließe. Sie fragte sich, ob
der Herzog bei Coras Anblick tatsächlich betroffen sein würde. Als er
abgefahren war, hatte man noch kaum etwas gesehen; jetzt hatte sich ihr ganzer
Körper verändert. Auf dem Dekolleté über ihrem kugelrunden Bauch zeichneten
sich blaue Adern ab, und ihr Gesicht war weicher und runder. Sogar Coras
Stimme hatte sich verändert; sie war im Verlauf der Schwangerschaft tiefer und
rauer geworden, und von ihrer offenen amerikanischen Art war kaum etwas geblieben.
Aber jedenfalls, dachte Bertha, sah sie nicht mehr aus wie das Mädchen auf dem
Porträt, das in Bridgewater House zurückgeblieben war und dort an der Wand
lehnte. Bertha hatte selbst nicht gehört, was der Herzog über das Bild gesagt
hatte, aber seine Reaktion war im Dienstbotenzimmer bis zum Überdruss
diskutiert worden. Bugler beschrieb das Gemälde gern als schockierend, obwohl
er es, soweit Bertha wusste, überhaupt nicht gesehen hatte. Sie war die einzige
Bedienstete aus Lulworth, die es tatsächlich gesehen hatte, aber als sie nach
ihrer Meinung befragt worden war, hatte sie vorgegeben, nichts zu wissen.
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