Daisy Goodwin
Mrs.
Cash, die würdige Dame der Gesellschaft, geworden war, waren ihr einige Lücken
in ihrer Erziehung bewusst geworden; beispielsweise sprach sie nicht ein Wort
Französisch. Aber eine Frau, der das Kommandieren so im Blut lag wie ihr,
verkraftete es, mit dem französischen Botschafter nicht in dessen Muttersprache
parlieren zu können. Colonel Lovett hatte immer großen Wert auf Disziplin
gelegt, und er hätte die Fähigkeit seiner Tochter, Ordnung zu schaffen, zu
schätzen gewusst.
Mrs. Cash
musste also nicht, wie so viele Besucher vor ihr, nach Luft schnappen, als sie
Lulworth mit seinem romantischen Zauber zum ersten Mal erblickte. Nein, als
die Kommandantin, die sie nun mal war, schätzte Mrs. Cash leidenschaftslos die
Stärken und Schwächen ihrer neuen Unterkunft ab. Die ungleichmäßige Fassade
mit den Türmen und Zinnen verriet ihr, dass das Essen in diesem Haus den Tisch
bestenfalls lauwarm erreichte. Als sie durch das Tor in den Park fuhren,
würdigte Mrs. Cash den bronzenen Hirsch auf den gusseisernen Flügeln nur eines
kurzen Blickes; die Tatsache, dass die Fenster des Torhauses kaputt waren,
interessierte sie viel mehr. Und als sie die Mitte der von zweihundert Jahre
alten Ulmen gesäumten Auffahrt erreicht hatte, war sie bereits zu einer
durchaus zutreffenden Einschätzung gelangt, was die in Lulworth nicht
vorhandenen Badezimmer betraf.
Aber nicht mal Mrs. Cash hatte an
den prächtig gekleideten, vollkommen gleich aussehenden beiden Dienern etwas
auszusetzen, die ihr aus der Kutsche halfen. Die grüngoldene Livree war
elegant, keine Frage, noch nie hatte sie so herrliche Schulterquasten gesehen.
Sie hätte anerkennend gelächelt, wäre das für sie nicht so schmerzhaft gewesen.
Sie musste sich ihr Lächeln für sehr viel wichtigere Gelegenheiten
aufbewahren. Vielleicht verriet ihr der Herzog ja den Namen des Schneiders, der
die Livreen für ihn fertigte.
An ihrem Ohr murmelte eine Stimme:
«Willkommen in Lulworth, Madam. Seine Gnaden wünschen, dass ich Sie zunächst
zu Miss Cash bringe, anschließend hofft er mit Ihnen zu Mittag zu essen.» Sie
folgte dem Butler die Steinstufen hinauf und durch die hohe Tür in eine
Galerie, an deren Ende sich ein gemeißelter Kaminaufsatz befand. Das
geschwärzte Eichenholz der Deckenbalken war nicht nach Mrs. Cashs Geschmack,
sie zog es vor, ihr Holz vergolden zu lassen.
«Wenn Sie bitte hier entlang kommen
möchten, Madam.»
Mrs. Cash folgte dem Diener eine
breite Holztreppe hinauf, die sich unter einer gläsernen Kuppel befand. Auf
den Pfosten waren wunderliche Tiere zu sehen: der Vogel Greif, Salamander und
Löwen. Mrs. Cash bewunderte die Schnitzereien, bemerkte aber auch, dass sie
nicht sorgfältig abgestaubt worden waren. Schließlich erreichten sie einen
breiten Korridor, und der Diener wandte sich nach links und blieb etwa auf der
Hälfte an einer Tür stehen.
Cora lag in einem gewaltigen Bett,
an dessen vier Pfosten grüner Damast hing, der mit Engeln bestickt war. Sie
sah blass aus und, zu Mrs. Cashs Verblüffung, recht gewöhnlich. Coras Charme
lag nicht zuletzt in ihren kastanienbraunen Locken,
ihren leuchtenden moosgrünen Augen und ihrer rosigen Haut begründet. Wie sie so
mit dunklen Ringen unter den Augen und ungekämmten, schlaffen Haaren in den
weißen Kissenbergen lag, wirkte sie überhaupt nicht wie die Schönheit von
Newport. Mrs. Cash machte sich zum ersten Mal seit dem Unfall ihrer Tochter
Sorgen über den Grad ihrer Verletzungen.
«Hallo,
Mutter.» Cora lächelte.
«Cora, ich
bin so erleichtert, dich zu sehen.» Mrs. Cash beugte sich über sie, um ihre
Tochter auf die Wange zu küssen, und verharrte einen Augenblick, ehe sie sich
auf das Bett setzte, nicht ohne darauf zu achten, dass sie ihrer Tochter ihre
gute Seite zuwandte. «Was für ein unvorteilhaftes Nachthemd, du siehst ja aus,
als wäre alle Farbe aus dir gewichen», sagte sie.
Coras
Lächeln erlosch. «Er gehört der Mutter des Herzogs.» Sie spielte mit einer
ihrer schlaffen Locken. «Mutter, hast du Bertha mitgebracht?»
«Man sollte doch meinen, dass eine
Herzogin, noch dazu eine doppelte, sich schämt, so etwas Schäbiges zu tragen.
Die billigste Baumwolle und nicht ein Fitzelchen Spitze. Das würde ich nicht
mal meiner Zofe schenken.» Mrs. Cash zupfte am Ärmel des Nachthemds. Cora zog
ihre Hand weg.
«Mutter, hast du Bertha
mitgebracht?»
Mrs. Cash
betrachtete den Baldachin des Bettes. Sie senkte langsam den Kopf und sah ihrer
Tochter in die Augen. «Bertha
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