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Daisy Goodwin

Daisy Goodwin

Titel: Daisy Goodwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine englische Liebe
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denn hier jeder entschlossen, sie auf
dem falschen Fuß zu erwischen? Zwar richtete sie in Newport die Feste aus, über
die am meisten gesprochen wurde, aber bisher hatte Mrs. Astor noch keine ihrer
Einladungen angenommen. Das war einer der Gründe dafür, dass sie so bestrebt
war, Cora vortrefflich zu verheiraten. Nicht einmal Mrs. Astor würde auf eine
Herzogin herabsehen können – oder auf die Mutter einer Herzogin.
    Aber trotz
seiner scheinbaren Gleichgültigkeit bat der Herzog sie nun, zu seiner Linken
Platz zu nehmen, sodass sie ihm ihre unverletzte Seite zuwenden konnte – obwohl
sie als einzige anwesende Frau eigentlich zu seiner Rechten hätte sitzen müssen.
Mrs. Cash war ob dieser taktvollen Geste überrascht und dankbar. Pater Oliver
und der Sekretär setzten sich auf die andere Seite des Tisches. Pater Oliver
sprach das Tischgebet, nach dem der Herzog sehr laut amen sagte. Das Essen war,
wie sie vorhergesehen hatte, nicht einmal lauwarm.
    Sie aßen
schweigend ihre Suppe, und dann sagte der Herzog: «Es tut mir leid, dass Sie
uns so ruhig vorfinden, Mrs. Cash. Meine Mutter hat immer im großen Stil
unterhalten, aber jetzt, da sie nach Conyers gezogen ist, hat sie auch die
Feste mit sich genommen. Meine Mutter ist auf wunderbare Weise voller
Energie.» Dem Wort Mutter gab er eine merkwürdige Betonung, gerade als zöge er
ihre Verwandtschaft in Zweifel.
    «Nun, die
Ruhe könnte nicht angenehmer sein», versicherte ihm Mrs. Cash. «Cora und ich
sind nach Europa gekommen, nachdem wir in Newport einen ereignisreichen Sommer
hatten. Wir haben einen Ball mit tausend Gästen gegeben, bei dem Cora in die
Gesellschaft eingeführt wurde. Die Leute waren so freundlich, es das Ereignis
der Saison zu nennen. Aber nach meinem Unfall ...» – Mrs. Cash wedelte auf Höhe
ihrer Wange mit der Hand herum – «... sagten die Ärzte, ich solle mich erholen
und zu Kräften kommen.» Sie hatte den Herzog genau beobachtet, aber bei der
Erwähnung der tausend Gäste verzog er keine Miene.
    «Hatten Sie
eine angenehme Überfahrt, Mrs. Cash?», fragte Pater Oliver beflissen. «Ich
hoffe, es gab keinen Sturm über dem Atlantik. Meine letzte Überfahrt war so
stürmisch, dass mich einige Passagiere gebeten haben, ihnen die Beichte
abzunehmen! Plötzlich war das ganze Oberdeck zu meiner Gemeinde geworden.»
Pater Oliver sprach zu viel und zu schnell, aber er war jetzt seit sechs Wochen
in Lulworth und hatte schon zu viele schweigsame Mahlzeiten miterlebt. Es
hatte nur wenige Besucher gegeben und noch keinen wie Mrs. Cash. Der Bruder des
Herzogs hatte ihn gebeten, die Geschichte Lulworths zu schreiben. Der Auftrag
hatte ihn gereizt, aber er spürte, dass der gegenwärtige Herzog nicht so
erpicht darauf war, die Geschichte seiner Familie zu bewahren, wie sein Bruder
es gewesen war.
    Er beugte sich zu der Amerikanerin.
«Mit welchem Schiff sind Sie gekommen, Mrs. Cash? Ich glaube, die White Star Line hat ein neues, das über einen eigenen Tennisplatz verfügt.»
    Auf der
guten Seite von Mrs. Cashs Gesicht breitete sich ein triumphierendes Lächeln
aus. Hier bot sich ihr die Gelegenheit, unmissverständlich deutlich zu machen,
wo ihr Platz in der Welt war.
    «Wir haben unsere eigene Dampfyacht,
die Aspen. Mein Mann Winthrop hat sie vor fünf Jahren bauen lassen, nach einer üblen Überfahrt auf einem
Linienschiff. Ihm graut davor, mit Fremden zusammen eingepfercht zu sein.»
    Pater Oliver war verstummt, aber der
Herzog sah interessiert auf. «Ah, das ist die Erklärung. Ich hatte mich gefragt,
wie Ihre Tochter ihr Pferd mitgebracht haben kann.»
    «Pferde meinen Sie, Herzog», sagte
Mrs. Cash mit einem höchst zufriedenen Triller in der Stimme. Sie beschloss,
dass es an der Zeit war, die vertrautere Anredeform zu benutzen – «Euer
Gnaden» hatte doch etwas allzu Unterwürfiges. «Sie hat drei Jagdpferde
mitgebracht und darauf bestanden, sie morgens und abends auf Deck
herumzuführen, bei jedem Wetter. Es gab Tage, an denen ich dachte, sie würden
alle vier über Bord gespült. Aber Cora ist so eigensinnig. Sie kommt nach
meinem Vater, dem Colonel. Er hatte mehr Tapferkeitsmedaillen als jeder andere
Soldat in der Konföderiertenarmee.»
    «Dann stammen Sie aus dem Süden,
Mrs. Cash?», erkundigte sich Pater Oliver.
    «Meine Familie, die Lovetts, ist
eine der ältesten in Virginia. Delmore Lovett kam vor zweihundert Jahren aus
England. Nicht viele Familien können ihre Geschichte so weit zurückverfolgen.
Die Plantage unserer

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