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Daisy Goodwin

Daisy Goodwin

Titel: Daisy Goodwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine englische Liebe
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wiedergefunden, aber diese hier ist
unter meinen Fuß gerollt, und ich bin die ganze Zeit stehen geblieben, bis die
Damen nach oben gegangen sind. Ich wollte sie Ihnen geben. Sie sind eine
schwarze Perle, Bertha, genau das sind Sie, und deshalb ist es nur richtig,
dass Sie sie bekommen.»
    Bertha sah ihn verblüfft an. Noch
nie hatte jemand auf diese Weise mit ihr gesprochen. Süße Worte, so
hätte ihre Mutter das genannt. Süße Worte sind schön und gut, aber
sieh zu, dass du vorher einen Ring am Finger hast. Berthas
Mutter hatte allerdings nie einen Ring gehabt. Der Mann, der sie verführt
hatte, war weiß gewesen, also kam eine Heirat nicht in Frage. Mrs. Calhoun
hatte sie nach Berthas Geburt behalten, in der Waschküche. Der Pfarrer hatte
es als einen Akt der Nächstenliebe bezeichnet, obwohl Berthas Mutter nicht
dankbar ausgesehen hatte. Dennoch wich Bertha nicht zurück, als Jim sich
vorbeugte, um sie zu küssen. Es war anders als bei den anderen Küssen, die sie
erlebt hatte, weicher, zögernder. Seine Hände hielten ihren Kopf, als wäre er
aus Glas.
    Als er sich zurückzog, sagte sie:
«Macht es dir nichts aus?»
    «Was denn?», flüsterte er.
    «Meine Hautfarbe. Macht es dir
nichts aus, ein schwarzes Mädchen zu küssen?»
    Er antwortete nicht und küsste sie
noch einmal, dringlicher diesmal.
    Endlich sagte er: «Ausmachen? Ich
habe dir doch gesagt, du bist meine schwarze Perle. Als ich dich das erste Mal
gesehen habe, im Dienstbotenzimmer, habe ich gedacht, du bist das Schönste, was
ich je gesehen habe. Als der alte Druitt gesagt hat, ich soll dich zum Dinner
führen, dachte ich, ich wäre gestorben und in den Himmel gekommen.»
    Seine Stimme ließ keinen Zweifel an
seiner Ernsthaftigkeit. Bertha war gerührt. Sie griff nach seiner Hand und
drückte sie. Jim sah sie aus seinen blauen Augen bange an.
    «Du bist doch nicht verärgert, oder?
Weil ich dich geküsst habe? Du hast so schön ausgesehen, ich konnte nicht
anders. Nicht, dass ich gedacht hätte, ich dürfte das, ich denke nicht, dass du
ein leichtes Mädchen wärst oder so was.» Er wirkte so besorgt, dass Bertha
lachen musste und seine Hand schwenkte.
    «Nein, ich bin nicht verärgert.
Überhaupt nicht.» Sie beugte sich vor, um ihm noch deutlicher zu zeigen, wie
weit sie davon entfernt war, verärgert zu
sein, aber sie hörten Schritte, und Jim sah sich um.
    «Ich muss gehen. Heb es dir auf.»
Und er berührte ihre Lippen mit seinem Finger und war fort.
    Bertha wandte sich wieder dem Haus
zu und rollte die Perle zwischen ihren Fingern. Sie wurde ganz warm in ihrer
Hand. Sie steckte sie ins Mieder ihres Kleides und spürte die Glut genau über
ihrem Herzen.

KAPITEL 6

    Das Glied in der Kette
    Hätte Mrs. Cash eine so gute Erziehung
genossen wie ihre Tochter, hätte sie Byron gelesen oder sich in Dorés Stiche zu
Dante vertieft, sie wäre in der Lage gewesen, in Ludlows Türmchen und
gedrehten Schornsteinen, die sich vor dem glänzenden Meer abhoben, ein
ästhetisches Ideal zu erkennen. Das Haus mit den vier filigran verzierten
Türmchen, den vielen Schornsteinen und Stabkreuzfenstern war eindrucksvoll,
aber fein – wie eine Königin, deren Krönungsmantel ihre schmale Taille oder
ihren zarten Hals zu verbergen nicht imstande ist.
    Mrs. Cash aber war die Tochter eines
Colonels der Konföderiertenarmee, und dort, wo sie aufgewachsen war, hatte die
Poesie keine Rolle gespielt. Mrs. Cash war eine ausgezeichnete Schützin und
befehligte eine ganze Armee von Dienern, doch eine Erziehung der Gefühle hatte
sie nicht genossen.
    Nachdem die Konföderierten bei
Appomatox kapituliert hatten, war Nancy Lovett, wie sie damals noch hieß, nach
Norden geschickt worden, um bei ihrer Tante in New York zu leben. Sie war ein
hübsches Mädchen mit dunklen Haaren und einer schönen, wenn auch recht
energischen Kinnpartie. Ihre Mutter hatte Bedenken gehabt, sie ins Feindesland
zu schicken, aber Nancy hatte nicht mehr zurückgeblickt. Ihr gefielen die
satten Farben im Haus ihrer Tante, die weiten Röcke, die aufwendig gearbeiteten
Fensterbehänge.
    Sie genoss, dass es reichlich zu
essen gab, und sie genoss die Gesellschaft rosa gekleideter reicher Damen. Als
Winthrop, der Sohn des Goldenen Müllers, ihr einen Antrag gemacht hatte, hatte
sie nur zu gern angenommen. Ihre Mutter hatte geseufzt und darüber nachgedacht,
was sonst noch möglich gewesen wäre, aber ihr Vater lag bereits in der
Anstalt, in der er drei Monate später sterben sollte. Als aus der Braut

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