Daisy Goodwin
suchen.
Cora und ihre Mutter waren seit
September in England, und vier Monate später war noch niemand für den Richtigen gehalten worden. Mrs. Cash hatte
sogar schon davon gesprochen, dass man die Saison im nächsten Sommer in Newport verbringen könnte. Der
Herzog von Connaught hatte so gut wie versprochen, seine Reise an die Ostküste in Newport zu unterbrechen; Cora
hatte schon gemutmaßt, dass ihre Mutter auf eine Tochter mit Titel verzichten
würde, wenn sie stattdessen Besuch von einem königlichen Herzog bekäme. Aber
jetzt, da sie vom Pferd gefallen war, hatte sich alles geändert.
Der Gong zum Dinner erklang, und
Cora gestattete sich einen letzten Blick in den Spiegel. Vielleicht war die Unebenheit
im linken Profil nicht so deutlich zu sehen, wenn sie ein paar Locken
herauszog. War die grüne Seide wirklich angebracht, oder wirkte das etwas zu
frivol? Vielleicht sollte sie etwas Interessanteres anziehen. Etwas, das nahelegte,
dass sie nicht nur dekorativ, sondern auch faszinierend sein konnte. Das blaue
Samtkleid mit dem viereckigen Ausschnitt, über das Teddy einmal gesagt hatte,
sie sähe darin aus wie Isabella Gonzaga, eine Herzogin der Renaissance. Aber
wollte sie aussehen wie eine Herzogin?
Das Blaue
oder das Grüne? Die Alte Welt oder die Neue? Cora wusste es nicht. Vor einer
Woche hätte sie die Entscheidung ohne Skrupel getroffen, aber jetzt ...
Bittend wandte sie sich Bertha zu, aber ihre Zofe stand bereits an der Tür.
«Gut, ich komme. Guck nicht so
verärgert, ich bin diejenige, die zu spät kommt, nicht du.»
«Und was
glauben Sie, wann ich zu Abend esse, Miss Cora? Sie haben vielleicht im Bett
keinen Appetit entwickelt, aber ich verhungere fast. Je eher Sie unten sind und
den Herzog anstrahlen, desto eher kann ich essen.»
Cora nahm
an, dass englische Bedienstete nicht so offen mit ihrer Herrschaft sprachen;
auch Mrs. Cash wäre entsetzt gewesen, hätte sie diesen Wortwechsel mit
angehört, aber Cora genoss ihren eigenen Großmut, wenn sie ihrer Zofe solche
Freiheiten erlaubte.
Als sie die
breite Treppe hinunterging, die Schleppe aus Spitze und grüner Seide sorgfältig
um die linke Hand gewunden, stellte sie fest, dass das Haus zugleich großartiger
und heimeliger war, als sie es sich vorgestellt hatte. Über der Treppe hingen
zahlreiche herzogliche Porträts; bei einer Sammlung mehrerer kleiner Ölgemälde
von grauen Windhunden blieb sie stehen. Offensichtlich handelte es sich um
geliebte Haustiere, denn neben jedem Bild standen ein Name, ein Datum und ein
Motto. Campion in der unteren linken Ecke war erst vor drei Monaten
gestorben. Sie fragte sich, ob das Tier, das als semper fidelis
beschrieben wurde, dem Herzog gehört hatte. Sie hoffte, ihrer Mutter waren die
Porträts nicht aufgefallen; Cora konnte sich nur zu gut vorstellen, was sie
von der Idee dynastischer Haustiere hielt.
Am Fuß der
Treppe befanden sich aufwendig geschnitzte Flügeltüren von doppelter Höhe,
flankiert von einem Paar vollkommen gleich aussehender Diener, die ihr
öffneten, als Cora näher trat. Als amerikanische Erbin war Cora unter hohen
Decken aufgewachsen, dennoch war sie beeindruckt von den Ausmaßen der
gewölbten Galerie, in die sie geführt wurde. Es war ein langer Raum, der sich
über die gesamte Südseite des Hauses erstreckte. Cora sah den Herzog und
andere Gäste neben dem gemeißelten Kaminaufsatz in der Mitte des Raumes stehen,
mindestens vierzig Fuß von ihr entfernt. Er war mitten in einer Geschichte, als
Cora den Raum betrat, und seine Gesprächspartner gaben sich große Mühe, trotz
seiner leisen Stimme kein Wort zu verpassen; niemand blickte sich nach ihr um.
Cora blieb stehen. Normalerweise hatte sie keine Skrupel, sich in einem
fremden Haus zu einer Gruppe von Menschen zu gesellen. Normalerweise würde sie
direkt auf die Menge zugehen, mit ausgestreckter Hand, und ihren fröhlichen
amerikanischen Charme versprühen. Aber etwas an der Art, wie der Her zog die
Aufmerksamkeit seines halben Dutzends Besucher fesselte, Coras Mutter
eingeschlossen, ließ sie zögern. Cora konnte nicht hören, was er sagte, aber
sie konnte erkennen, dass die Zuhörer nicht einfach nur höflich waren; der Herzog
hatte sein kleines Publikum in den Bann geschlagen. Einen Augenblick später
machte er eine Pause, sah auf und erblickte Cora. Er hob eine Augenbraue, und
dann nahm er seine Geschichte wieder auf. Sie sah, wie er einen Arm hob und ihn
plötzlich herunterfallen ließ, und sie hörte das Wort «Chukka»
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