Daisy Goodwin
Es gab lauten
Jubel, als die Menge, die etwas weiter oben am Broadway versammelt war, die
Kutsche der Braut herannahen sah, gezogen von vier gleich aussehenden grauen
Pferden.
Schließlich hielt die Kutsche vor
der Kirche. Mr. Cash stieg aus, um seiner Tochter behilflich zu sein. Flora
wurde von der wogenden Menge nach vorne gedrückt, nahm den Duft der Lilien
wahr, die, zu einer langen Girlande verwoben, über dem Eingang hingen. Flora
spürte, wie jemand mit dem Fuß hinten in ihren Rock trat, aber sie wagte nicht
sich umzudrehen – nie hätte sie sich verziehen, wenn sie Cora verpasste. Wieder
ging ein Seufzen durch die Menge, als jetzt die Braut aus der Kutsche stieg.
Flora reckte den Kopf, aber die Kutsche nahm ihr die Sicht. Sie stand auf den
Zehenspitzen und streckte sich, bis sie das Gefühl hatte, ihr bräche gleich das
Genick, aber mit etwas weniger als fünf Fuß war sie zu klein, um das Gesicht
der Braut sehen zu können. Zwei Frauen hinter ihr unterhielten sich über das
Kleid.
«Ist das Kleid eher austernfarben
oder cremefarben, was meinst du, Edith?»
«Ich denke, cremefarben. Wunderbare
Spitze, aus Brüssel oder Valencia?»
«Brüssel. Es ist ein Kleid von
Worth, die verwenden nur Brüsseler Spitze.»
Als Flora diesen Wortwechsel hörte,
hatte sie das Gefühl, sie müsste platzen. Cora gehörte ihr, nicht denen. Hatten
sie vielleicht an jeder Wand ihres Schlafzimmers Bilder von Cora? Sie, Flora,
war sogar im selben Jahr wie Cora geboren, vor neunzehn Jahren, und auch noch
am selben Tag, wenn auch nicht im selben Monat. Wie konnten diese Frauen über
das Kleid urteilen, das rechtmäßig Flora gehörte? Der Polizist vor ihr, der
sie überragte, hörte sie schniefen und sah amüsiert zu ihr hinunter.
«Alles in Ordnung, Miss?» Er hatte
einen irischen Akzent und rote, abstehende Ohren.
«Ich kann die Braut nicht sehen, und
ich bin doch nur ihretwegen hier.» Flora hatte feuchte Augen. Der Polizist
hatte zu Hause in County Wicklow drei jüngere Schwestern zurückgelassen und
wusste, wann er es mit einer verzweifelten Frau zu tun hatte.
«Na, das geht aber wirklich nicht,
oder?» Und er griff Flora bei der Taille und hob sie kurzerhand auf seine Schultern.
Sie schrie auf und wollte protestieren, aber ihr stockte der Atem, als sie Cora
erblickte. Die Braut stand auf den rotbraunen Stufen der Kirche, die Schleppe
hinter sich ausgebreitet wie eine Sahnepfütze. Das Kleid war nach der neuesten
Mode geschneidert, mit weiten Puffärmeln, einer sehr schmalen Taille und einem
weiten Rock. Es war aus schwerem Duchessesatin und mit Perlen bestickt. Wie es
der Brauch verlangte, war der Ausschnitt hochgeschlossen, und die Ärmel gingen
bis zu den Handgelenken. Auf jeder Schulter befand sich eine weiße Blume –
Flora glaubte, es waren
Gardenien –, aber sonst hatte das Kleid keinerlei Verzierungen, keine
Schleifen, Rüschen oder Volants, nichts, was von dem Spitzenschleier und seinem
aufwendigen Netz aus Früchten, Blumen und Schmetterlingen ablenkte. Solche
Spitze war heutzutage nicht für Geld und gute Worte zu bekommen, hatte Town
Topics seine Leser informiert. Der Schleier hatte ursprünglich der Prinzessin
von Lamballe gehört, die, so der Artikel weiter, bei der Französischen
Revolution ihren Kopf hatte lassen müssen. Flora wusste nichts über die
Französische Revolution, aber sie wusste genug über Spitze, um sich darüber
klar zu sein, dass man Madame Rochas' Geschäft für den Gegenwert von Coras
Schleier gleich mehrmals hätte leer kaufen können. Aber sie verspürte keine
revolutionäre Wut, eher im Gegenteil – Flora hätte sich betrogen gefühlt, wenn
Cora sich mit weniger zufriedengegeben hätte.
Flora hatte
schon mindestens zehn Bräute auf den Stufen dieser Kirche stehen sehen, aber
sie konnte sich an keine von ihnen erinnern, als sie jetzt Cora betrachtete,
die mit erhobenen Armen versuchte, das Diadem auf ihrem Kopf zurechtzurücken,
während ihr Vater recht hilflos daneben-stand. Flora sah, wie konzentriert Cora
guckte, und hatte das Verlangen, zu ihr zu laufen und das Diadem so zu befestigen,
dass es Coras weißes Gesicht einrahmte und nicht so weit unten saß, dass sie
Kopfschmerzen bekommen würde. Flora arbeitete manchmal in der Garderobe von DelMonico
und hatte schon Debütantinnen geholfen, deren gemietete Diademe auf der Stirn
rote Striemen hinterlassen hatten. Man musste das Haar so legen, dass das
Metall die zarte Haut an den Schläfen nicht berührte, das war das
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