Daisy Goodwin
wenn ich sage, dass es etwas Befreiendes hat.»
Cora war
schockiert, aber dann dachte sie an den Wirbelsäulenstraffer und die endlosen
Nachmittage, die sie an ihm verbracht hatte, unfähig, sich zu bewegen, und sie
nickte Charlotte zu. «Ich denke, ich verstehe.»
Charlotte legte ihre Hand auf Coras
Arm. «Ich hoffe, wir können Freundinnen sein.»
Cora war
überrascht, versuchte aber, es sich nicht anmerken zu lassen. Sie sagte mit
dem, was sie für sich ihre Herzoginnenstimme nannte: «Das hoffe ich auch.»
Ehe Charlotte noch etwas sagen
konnte, geriet alles in Bewegung, weil die Männer zu ihnen stießen. Die Gäste
sollten sich an die vier Bridgetische setzen. Charlotte wurde von der
doppelten Herzogin zu sich gerufen, und mit einem bedauernden Blick in Coras
Richtung begab sich Charlotte unter die Kartenspieler.
Und dann sah Cora aus den
Augenwinkeln zu ihrer Erleichterung Ivo auf sich zukommen.
Er setzte
sich neben sie auf den Platz, den Charlotte frei gemacht hatte. Sie wollte ihm
gerade von ihrer Unterhaltung erzählen, als er ruhig sagte: «Meine Mutter wird
mich gleich fragen, ob ich Klavier spiele. Ich möchte, dass du dann mit mir
kommst. Wir spielen Schubert.»
Cora sah
ihn bestürzt an. «Aber Ivo, ich habe nicht geübt! Ich kann nicht vor so vielen
Menschen spielen.» Er lächelte sie an.
«Keine
Sorge, niemand hier wird bemerken, wenn du eine falsche Taste triffst. Wir
werden das sehr gut machen.» Cora schluckte und versuchte ebenfalls zu lächeln.
Wie Ivo
angekündigt hatte, kam einen Augenblick später die
doppelte Herzogin auf sie zu.
«Liebe Cora, würde es dir
schrecklich viel ausmachen, wenn ich Ivo bitte, für uns etwas zu spielen? Es
wäre ein solches Vergnügen.» Sie wandte sich an ihren Sohn. «Ich kann mich gar
nicht erinnern, wann ich dich zuletzt habe spielen hören.»
«Nein, Mutter? Es ist sehr lange
her.» Ivo sah seine Mutter eindringlich an, die daraufhin den Blick senkte.
Ivo stand auf, ohne Coras Hand
loszulassen, sodass sie keine andere Wahl hatte, als ihm zu folgen. Cora sah
den ungläubigen Ausdruck ihrer Schwiegermutter, als er sie mit sich zum Klavier
nahm. Während sie sich zusammen an das Instrument setzten, sah sie, wie die
Herzogin den Kopf abwandte, als wäre sie geschlagen worden.
Ivos Hände schwebten über den
Tasten. Er sah Cora ernst an.
«Bist du
bereit? Eins, zwei, drei ...»
Sie tauchten in den Schubert ein.
Cora spielte entschlossener als jemals zuvor. Sie spürte, dass die Herzogin
sie beobachtete. Als sie spielten, wurde es still im Raum, selbst die
Kartenspieler unterbrachen ihr Spiel, um zuzuhören. Ihre Stimme begleitete
seine gleitenden Arpeggios mit einer Folge von Mollakkorden; wenn sie diese
etwas zu früh oder zu spät spielte, gäbe es einen Missklang, aber Ivo stellte
sich auf sie ein und reagierte auf die Grundlage, die sie ihm bot, mit seinen
eigenen Interpolationen. Bald hatte Cora die anderen Menschen im Raum
vergessen, sie ging vollkommen in der Musik auf, spürte Ivos Bein an ihrem und
hatte das Gefühl, sich mit ihm gemeinsam zu bewegen, als sie das Finale
erreichten. Bei den letzten Takten stimmten sie vollkommen überein, und sie
legte in ihren letzten Akkord ihr ganzes Gefühl. Die Musik verklang, und sie
lehnte sich gegen ihn.
Ivo flüsterte ihr ins Ohr: «Ich hab
dir doch gesagt, zusammen sind wir gut.»
Und dann
stand er auf und lächelte zum Dank für den Applaus, der auf das Stück gefolgt
war. Er wandte sich ihr zu, hob ihre Hand an die Lippen und küsste sie. Der Applaus
schwoll noch mehr an. Cora spürte, wie sie rot wurde.
Sie hörte den Prinzen zu Ivo sagen:
«Wie ich sehe, haben Sie sich eine neue Partnerin gesucht, Wareham. Ich erinnere
mich, dass Sie früher mit Ihrer Mutter gespielt haben. Aber ich glaube, Ihre
neue Herzogin kann durchaus mit Ihnen Schritt halten.»
«Sie sind sehr aufmerksam, Sir.» Ivo
deutete dem Prinzen eine ironische Verbeugung an.
Herzogin Fanny näherte sich ihnen schwungvoll
und sagte mit ihrer heiseren Stimme: «Meine Lieben, was für musikalische Flitterwochen ihr
gehabt haben müsst.» Sie wandte sich Cora zu. «Ich hoffe, Ivo hat dich nicht
die ganze Zeit üben lassen?»
Cora
lächelte, sagte aber nichts. Sie wusste, dass ihre Schwiegermutter sich
ärgerte, weil ihr die Schau gestohlen worden war. Als Fanny weiterging, fiel
Coras Blick auf Charlotte Beauchamp, die sehr ruhig und mit verschränkten
Armen dasaß. Als der Prinz zurück zum Kartentisch ging, stand Charlotte auf,
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