Daisy Goodwin
Haus immer bewusst; jeder Zoll, das wusste sie, hatte für ihn eine
Bedeutung. Bei ihrer Rückkehr von der Hochzeitsreise waren Cora die
Räumlichkeiten der Herzogin gezeigt worden, mehrere exquisit eingerichtete
Zimmer auf der Südseite des Hauses. Sie war entzückt gewesen, wie hell sie
waren, auch von ihrer Größe, ihrem Schnitt und dem dreieckigen Ausschnitt des
Meeres, den man zwischen breitschultrigen Hügeln erkennen konnte. Sie hatte
sofort beschlossen, sich diese Zimmer zu eigen zu machen, und hatte neue Möbel
bestellt, die perlenbesetzten roten Samtvorhänge der doppelten Herzogin über
Bord geworfen und sie durch einen leichten, mit Vögeln und Granatäpfeln
bedruckten Vorhangstoff ersetzt.
An dem Abend, als die Zimmer
fertiggestellt waren, war Ivo spät gekommen, nach elf, und ging, statt sie zu
küssen, durch das Zimmer und berührte die Vorhänge und die Wände wie ein Hund,
der sich unvertrautes Gebiet erobert. Schließlich hatte sie seine Hand genommen
und ihn zum Bett geführt, aber dort war er ruhelos und ungelenk gewesen, und
in den frühen Morgenstunden hatte er sie verlassen. Er hatte sogar anders gerochen,
seine normalerweise warme, süße Haut hatte etwas Saures an sich gehabt. Dieses
Verhalten hatte drei Nächte angedauert. Tagsüber hatte Ivo sich normal
benommen, aber nachts wurde er zu einem gereizten Abbild seiner selbst. Cora
hatte versucht, mit ihm darüber zu sprechen, aber er wich aus, also hatte sie
ihn am nächsten Abend in seinem Zimmer aufgesucht, und Ivo war über sie
hergefallen, ehe sie auch nur die Tür geschlossen hatte. Offensichtlich
reichten die neue Einrichtung und die neuen Vorhänge nicht aus, um seine Mutter
aus diesen Räumen zu vertreiben. Von da an nutzte sie die Zimmer der Herzogin
nur noch tagsüber, wenn Ivo draußen unterwegs war.
Cora neigte
ihr Gesicht der Sonne zu und schloss die Augen. Warm war es wegen des
Südwestwindes nicht, aber sie genoss das Licht, das durch ihre Lider drang. Die
Sonne war das, was sie am meisten vermisste; zu Hause hatte sie sie immer für
selbstverständlich gehalten, aber hier empfand sie jeden sonnigen Tag als
Segen. Sie schlug die Augen auf und sah auf das Meer hinaus; sie sah etwas
Weißes im Wasser aufblitzen, genau dort, wo die Bucht ins offene Meer überging.
Sie gab Druck auf Lincolns Flanken und trabte an der Klippe entlang.
Als sie
näher kam, sah sie, dass es Delphine waren. Ungefähr fünf sprangen gemeinsam
durch die Wellen. Cora hatte in Newport bereits Delphine gesehen, aber hier sah
sie zum ersten Mal eine ganze Gruppe, und sie lächelte, bis ihre Wangen
schmerzten.
Für
gewöhnlich stellte Lincoln auf der Hälfte des Rückwegs zum Schloss die Ohren
auf, und er durfte nach Hause galoppieren. Aber heute ließ sie ihm seinen
Willen nicht, sondern fasste die Zügel kurz und ließ ihn ruhig den Hü gel
hinauftraben. Lincoln schnaubte widerwillig, aber Cora gab nicht nach. Normalerweise
gefiel es ihr, etwas durchgerüttelt zu werden, aber heute wollte sie ihren
verträumten Zustand noch ein wenig verlängern. Als sie die Stallungen
erreichten, kam ein Stallbursche auf sie zugelaufen, um Lincoln zu übernehmen.
«Guten Morgen, Euer Gnaden.» Der Stallbursche berührte seine Kappe und führte
Lincoln zum Aufsitzblock.
«Was für ein wunderschöner Tag! Ich
habe in der Bucht Delphine gesehen. Sieht man die hier öfter?»
Der Stallbursche kratzte sich am
Kopf. «Also, ich bin jetzt fast siebzehn Jahre hier und hab noch nie Delphine
gesehen, Euer Gnaden.» Der Stallbursche schnalzte mit der Zunge und reichte
Cora die Hand, damit sie absteigen konnte. «Man sagt, Delphine bringen Glück,
und Lulworth hatte ja in letzter Zeit nicht viel Glück, ich schätze also, das
ändert sich jetzt.» Und der Stallbursche lächelte, wobei er kaputte braune
Zähne zeigte und seinen Blick über ihren Körper wandern ließ.
Cora verstand erst mit einiger
Verzögerung, was er meinte, und merkte dann, wie sie rot wurde. Aber wie konnte
er das denn wissen? Sie hatte ja selbst erst seit wenigen Tagen einen
Verdacht. Niemand ahnte etwas davon, nur Bertha möglicherweise, aber die würde
kaum mit den Stallburschen darüber reden. Sie warf ihre Peitsche und ihre
Handschuhe auf den Boden und ging mit steifen Beinen auf das Haus zu. Als sie
den Hintereingang erreichte, erschien der Butler mit einem Silbertablett, auf
dem ein Telegramm lag. Sie riss es auf. «Es ist vom Herzog, Bugler, er wird zum
Dinner zurück sein. Ist die Kapelle schon
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