Daisy Sisters
kann um nichts in der Welt verstehen, dass sie ein werdendes Kind in sich birgt. Er ist doch immer vorsichtig gewesen, außer ein einziges Mal, als er vergessen hatte, Gummis zu kaufen, aber da war es unbedingt notwendigfür ihn, mit ihr zu schlafen. Eine notwendige Revanche für einen Kinoabend, über den er die Kontrolle verloren hatte. Aber dies eine Mal … Das sagt er auch.
»Einmal ist einmal zu viel«, sagt sie und sieht plötzlich ganz wild aus.
Aber wie hätte er wissen sollen … Zum Teufel auch! Sie hat es wohl gemerkt, dass er ohne war! Hätte sie doch die Beine zusammengekniffen! Wie sollte er …
Wild sieht sie aus. So hat sie ihn noch nie angestarrt. Er wendet den Blick ab, er kann dem ihren nicht standhalten.
»Das geht doch nicht«, murmelt er.
»Nein«, sagt sie.
Wenn er doch wenigstens trotzdem froh wäre, denkt sie. Wenn er ihr doch trotzdem ein Lächeln schenken würde, mitten in dem Kummer … Aber dass sie das denkt, trägt nur zu ihrer Verwirrung bei. Natürlich ist das ein Unglück für sie beide. Vielleicht doch mehr für sie, der Mann schafft es wohl immer, sich damit herauszureden, dass es ein Unfall war, und das ist ein himmelweiter Unterschied. Aber dass er nur dasitzt und von seiner Unruhe loskommen will … Vermutlich denkt er an die Vespa, die unnütz draußen steht.
Das tut ihr weh.
Immerhin ist sie ja schwanger! Von ihm!
Wenn sie miteinander schlafen, ist wohl immer der Gedanke dabei, dass ein lebendiger Mensch daraus entstehen kann.
So denkt sie jedenfalls. Und selbst jetzt, wo es nicht weniger als eine Katastrophe bedeutet, dass sie schwanger ist, gibt es auch eine kleine kribbelnde Freude in ihr …
Wenn er doch wenigstens etwas sagen würde! Wenn er sich doch aufrichten und den Mund öffnen würde. Nicht bloß da auf dem Stuhl sitzen und aussehen, als hätte er gerade einen Hirnschlag bekommen.
Aber der Schein trügt, wie so oft. Jacob weiß nicht, was er sagen soll, aber er weiß, was er denkt …
Wenn Eivor nun schwanger ist, wie sie sagt, so bedeutet das ja auch, dass er sich keine Sorgen machen muss, dass sie ihn verlässt, sich mit jemand anderem einlässt. Mit dieser Angst trägt er sich, seit er sie zum ersten Mal auf dem Rücksitz von Rogers Auto sah. Aber das hat er ihr natürlich nicht gesagt. Das kam ja gar nicht in Frage. Aber sie sollte nur wissen, wie eifersüchtig er oft gewesen ist, nahe daran, sie zu schlagen, wenn sie allzu freundlich zu einem anderen war. Jetzt ist er die Sorge los, jetzt ist sie sein, ohne dass er riskiert, beiseitegestellt zu werden. Vater eines Kindes zu werden wirkt beinahe unwichtig im Verhältnis dazu, nie mehr eifersüchtig zu sein.
Ein Kind, was ist das schon?
Etwas, was schreit und krabbelt, was man herumtragen muss …
Aber es kann auch etwas werden, was einem selbst ähnelt. Dem man einen Namen geben kann …
Tommy Halvarsson zum Beispiel. Oder Sonny …
Sie sagt etwas, und er kommt zurück aus seinen Gedanken. Sie zeigt auf einen Brief, der auf dem Tisch liegt, und sieht nicht länger so wild aus, wirkt nur traurig.
Algots. Die Anstellung. 10. Juni. Ach ja, er hat wohl nie richtig verstanden, warum sie so gerne dort hinwollte. Aber Mädchen sind ja manchmal seltsam, was will man machen …
»Gratuliere«, sagt er. Etwas anderes wäre vermutlich unpassend in dieser Situation.
Aber er hat sich offensichtlich geirrt, denn sie starrt ihn plötzlich an, als hätte er ihr eine Ohrfeige gegeben.
»Begreifst du denn nichts«, sagt sie. »Wenn ich schwanger bin, kann ich Algots einfach vergessen. Ich kann natürlichdort anfangen, aber für wie lange denn? Wie lange kann ich dort bleiben? Wie soll ich nähen können, wenn ich so dick bin, dass ich nicht einmal mehr meine Schuhe zubinden kann …«
Schwanger. Ein Bauch, der sich aufbläht, eine schwerfällige Mami, die sich nicht rühren kann. Kinderwagen und Kinderbett müssen gekauft werden … Nein, das ist zu viel für ihn. Am liebsten würde er jetzt aufstehen und gehen, sagen, dass die Vespa zurückgebracht werden muss oder dass er erkältet sei …
Aber man erkältet sich nicht so einfach Ende Mai. Zum Teufel! Und er kann sie auch nicht einfach allein lassen, wo sie die ganze Zeit über aussieht, als würde sie gleich zu weinen anfangen oder ihm etwas an den Kopf werfen … Genau das ist es, was es so schwer macht. Dass man nicht mehr einfach verschwinden kann, wie es einem beliebt. Hat man ein Kind, so hat man es, das ist etwas, was einen selbst überleben
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