Daisy Sisters
geworden sei. Er hat ihr doch gesagt … Was zur Hölle treibt sie da? Hinter seinem Rücken? Hätte er gewusst, dass sie es ernst meinte, als sie so unausstehlich rumgequengelt hat … Immer ist etwas! Ist es nicht das eine, so ist es das andere … Nie eine ruhige Minute. Und gerade heute, wo es endlich mal einen guten Film im Fernsehen gibt … Drei Tage in der Woche … Welche Tage? Wenn sie wenigstens erklären könnte, warum! Gefällt es ihr nicht zu Hause? Was hat er falsch gemacht …
Sie hört geduldig zu und unterbricht ihn nicht. Die Antwort von Algots gibt ihr Kraft. Aber als sie anfangen will zu erklären, unterbricht er sie sofort. »Das kommt nicht in Frage«, sagt er. » Das verstehst du doch wohl selbst!«
Sie will gerade antworten, als sie plötzlich ihre Meinung ändert. Nein, sie wird heute Abend nichts mehr sagen. Aber morgen und übermorgen. Da steht, dass sie anfangen kann, wann sie will, innerhalb von zwei Monaten, und sie wird nicht Hals über Kopf losrennen. Natürlich muss er sich erst an den Gedanken gewöhnen …
Aber seine Antwort ist immer dieselbe, und es endet immer damit, dass er sich weigert, weiter darüber zu sprechen. Manchmal ist er es, der flucht, manchmal ist sie es, und manchmal sind sie es alle beide. Nach einer guten Woche zähen Buddelns im Schützengraben meint Eivor zu merken, dass er sie mit anderen Augen ansieht; als ob er trotz allem angefangen hätte zu verstehen, dass sie es ernst meint. Da wird er anders, spricht bittend, wie aus der Tiefe schwerer Sorgen. Er mobilisiert Linnea und Artur, und Linnea findet auch, dass es viel zu früh ist. Was der gute alte Artur meint, versteht sie nie. Es wirkt meist so, als wäre er neugierig, wie es ausgehen wird.
Der große und schwere Zusammenstoß beginnt überraschend für sie beide. Es ist an einem späten Samstagabend,als sie im Badezimmer stehen und die Zähne putzen. Plötzlich wirft Jacob die Zahnpastatube nach Eivor. Ohne Kommentar, ohne dass er wütend wäre. Er packt heftig nach ihr, zieht sie auf den Fußboden hinunter und fängt an, ihr das Nachthemd herunterzureißen. Er sagt, dass er mit ihr schlafen wolle; jetzt und hier, sofort! Ehe sie sich besinnen kann, ist er in sie eingedrungen, und als sie anfängt, Widerstand zu leisten, ist alles schon vorüber. Er hält sie so fest, dass es wehtut, und er sagt, dass er fürchtet, sie wolle ihn verlassen. Für ihn ist es eine große Bedrohung; wenn sie rausgeht und wieder arbeitet, so ist das der erste Schritt in eine Richtung weg von ihm. Eivor fühlt den kalten Fußboden unter ihrem Rücken, und die Demütigung – dass es ihm völlig egal war, ob sie Lust hatte oder nicht – erfüllt sie mit Abscheu. Seine Worte berühren sie nicht, auch wenn sie eine Art Erklärung enthalten. Hätte er das gesagt, als sie im Wohnzimmer saßen, oder im Bett, kurz bevor sie das Licht ausmachten, da hätte sie ihm zugehört. Aber nicht jetzt, nicht hier auf dem Fußboden, nachdem er sie bezwungen hat mit seiner Kraft.
»Entschuldige bitte …«, sagt er, als er aufsteht.
»Ja … Ja klar …«
Sie hebt die Zahnpastatube auf und legt sie ins Regal.
»Woran denkst du?«, fragt er.
»An nichts …«
»Ich sehe, dass du an etwas denkst!«
Sie merkt, dass er anfängt, wütend zu werden, aber statt Angst zu bekommen, stellt sich dicht vor ihn und sieht ihm direkt ins Gesicht. »Ich hatte nicht daran gedacht, dich zu verlassen«, sagt sie. »Aber wenn ich nicht anfange zu arbeiten, kann es passieren, dass ich das tue.«
Sie setzt sich aufs Sofa im Wohnzimmer, und er kommt ihr nach und wütet und weint abwechselnd. Aber sie ist gleichgültiggegenüber seinen Reaktionen, sie sieht sich auf dem Fußboden liegen und denkt, er wird sie niemals hindern können. Was er auch sagt, wie unglücklich er auch zu sein glaubt, sie weiß, dass sie zu Algots gehen wird, sobald sie eine Übereinkunft mit Linnea getroffen hat. Oder wenn es notwendig sein sollte, mit jemand anderem.
Nach vielen Stunden sieht er ein, dass er nichts machen kann. »Ich glaube nicht, dass du mich überhaupt noch gern hast«, sagt er und spielt seine letzte Karte aus.
»Natürlich habe ich das«, sagt sie. »Darum geht es doch gar nicht.«
»Ich will dir nichts Böses.«
»Nein …«
Sie wünscht, dass er sich schlafen legt, und als hätte er ihre Gedanken gelesen, murmelt er Gute Nacht und verschwindet im Schlafzimmer. Obwohl sie so müde ist, dass ihr der Kopf wehtut, bleibt sie noch lange sitzen.
Wenige Tage
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