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Daisy Sisters

Titel: Daisy Sisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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wie abgesprochen. Warum? Weil sie schwanger ist …
    In der folgenden Zeit trug sie eine stumpfe Angst mit sich herum, und darüber konnte sie mit keinem Menschen sprechen, nicht einmal mit Liisa, die eines Tages mit der Frage vor der Tür stand, wie es denn sei, wieder zu arbeiten. In ihrem Verhalten zu Staffan versuchte sie zu sein wie immer, er sollte nicht dem großen Leid und der Gleichgültigkeit ausgesetzt sein, die sie in sich trug. Als sie einige Tage nach dem Bescheid Jacob berichtete, dass sie schwanger war, tat sie das so nebenbei, gerade als er vom Mittagstisch aufstand. Sie wandte ihr Gesicht ab, um nicht sehen zu müssen, wie erleichtert er war, als er sagte, dass er sich freue. Und natürlich ließ er sie in Ruhe, ließ sie ihr Gesicht abwenden. Sie war ja schwanger.
    Anfang Mai jenes Jahres rief Elna eines Tages aus Hallsberg an und erzählte, dass Großvater Rune plötzlich bettlägerig geworden sei. Natürlich kam das nicht ganz überraschend. Gefäßkrämpfe und zerstörte Lungen hatte er seit vielen Jahren. Es war ja fast ein Wunder, dass er noch lebte. Aber jetzt schien die Glocke auch für ihn geschlagen zu haben, und Elna sagte, dass er sie und Staffan so gerne sehen würde. Und natürlich auch Jacob … Elna meinte, Eivor müsse nicht sofort nach Sandviken fahren. So eilig war es nicht. Aber vielleicht könnten sie zusammen …
    Damals im Mai wusste Elna schon, dass Eivor wieder ein Kind erwartete. Eivor hatte kein Geheimnis daraus gemacht, genauso wenig, wie sie etwas darüber sagte, ob es geplant war oder nicht. Sie sagte nur, dass sie schwanger sei, undetwas in ihrer Stimme veranlasste die, die sich wunderten, sich mit Fragen zurückzuhalten.
    Dass sie verändert war, merkten alle, aber niemand hätte direkt sagen können, was anders war. Vielleicht war sie etwas blasser als gewöhnlich … Vielleicht auch wortkarger, auch wenn sie nie viele Worte gemacht hatte … Nein, die Zukunft musste zeigen, was eigentlich geschehen war.
    Elna rief wieder an und sagte, dass es Rune schlechter gehe, und sie verabredeten, gemeinsam zu reisen. Eivor würde Staffan mitnehmen, und Elna würde in Hallsberg in den Zug steigen. Auf diese Weise hätten sie ein paar Stunden, um miteinander zu reden. Erik konnte sich nicht freinehmen von seiner Arbeit auf dem Güterbahnhof. Aber während der Sommermonate ging es Rune besser, und so schoben sie die Reise bis zu den ersten Augusttagen hinaus. Da war er wieder bettlägerig geworden, und jetzt glaubte niemand mehr, dass er wieder genesen würde.
    Jacob kann oder will nicht mitfahren nach Sandviken. Eivor weiß, dass er Angst vor dem Tod hat, so große Angst, dass er jeden Gedanken daran meidet. Aber noch ist ihr Großvater ja nicht tot. Es ist ja keine Beerdigung, zu der sie fahren will, sondern ein Krankenbesuch. Dass es vermutlich der letzte Besuch sein wird, damit muss man sich wohl abfinden. Aber sie diskutiert nicht mit ihm darüber. Wenn er nicht will, dann eben nicht. Sie fühlt sich auch nicht verletzt, er hat Rune ja nur einmal getroffen, als sie geheiratet haben.
    »Ich mache hier zu Hause ein bisschen Ordnung«, sagt er.
    »Du musst dich nicht entschuldigen. Dass du es nur weißt. Bringst du uns morgen zum Bahnhof?«
    Natürlich macht er das. Es ist Sonntag, er hat frei, und das geheiligte Ritual, so lange zu schlafen, wie er will, opfert er selbstverständlich. Um acht Uhr stehen sie am Bahnhof, Jacob hat Staffan von der Bushaltestelle an auf den Schulterngetragen. Staffan ist aufgedreht und versteht schon, dass da etwas Besonderes geschieht. Eivor ist müde, der helle Sommermantel spannt über dem Bauch, und die neu gekauften Schuhe drücken. Sie meint, wie eine Ente zu watscheln, als sie neben Jacob und Staffan hergeht. Jeden Morgen, wenn sie sich im Spiegel sieht, bekommt sie Angst, ihr Gesicht ist so blass geworden, und die verflixten Pickel wollen nicht verschwinden. Jeden Tag verwendet sie mehr Schminke, aber die Blässe scheint durch. Und die anhaltende Hitze macht sie reizbar und schlapp und bewirkt, dass sie sich schlecht fühlt. Manchmal empfindet sie eine große Verwunderung darüber, dass Jacob es mit ihr aushält. Aber es ist ja immerhin sein Kind, das sie da mit sich herumträgt.
    Wenn er bloß nicht so schweigsam wäre. Oder ist er nur erleichtert, jetzt, wo er verhindert hat, dass sie wieder arbeitet?
    Sie stehen auf dem Bahnhof, und aus dem Lautsprecher kommt die Durchsage, dass der Zug nach Herrljunga gleich einläuft. Der Bahnsteig

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