Daisy Sisters
später nimmt sie Staffan im Wagen mit und besucht Liisa zu Hause. Sie hat sie angerufen, und Liisa hat gesagt, wann es ihr passt, wann sie Spätschicht hat. Ritva ist mit einem Metzger zusammengezogen, draußen im Stadtteil Druvefors, und Liisa wohnt jetzt allein in der Wohnung. Sie trinken Kaffee und führen ein Gespräch, das von Staffans unruhigem Streifzug auf seinen wackligen Beinen ständig unterbrochen wird.
Liisa sieht ihn an und sagt, das hätte sie nie geschafft, nie die Geduld gehabt …
»Das hättest du schon«, antwortet Eivor. »Wenn man ein Kind bekommt, so hat man plötzlich viel mehr Kraft!«
»Ich nicht! Niemals …«
»Du auch!«
Eivor erzählt ihr von ihrem zweiten Besuch bei Algots und von dem Brief, den sie bekommen hat. Sie weiß, dass sie zuLiisa gegangen ist, um eine Bestätigung zu erhalten. Liisa ist vielleicht nicht die Geeignetste, um ihr das zu geben, was sie sich wünscht, aber Eivor hat niemand anderen, mit dem sie sprechen kann.
Für Liisa ist es auch ganz selbstverständlich. Eigenes Geld zu verdienen, selbstständig zu sein, danach zu streben müssen Frauen lernen.
»Würdest du heute noch einmal heiraten?«, fragt sie. »Wenn du das alles gewusst hättest?«
»Wenn ich Staffan auf keine andere Weise hätte bekommen können, dann ja!«
»Aber man muss doch wohl nicht in die Kirche gehen, um schwanger zu werden.«
Sie brechen beide in Lachen aus. Liisas Worte klingen so komisch, während sie gleichzeitig einen wahren Kern haben. Eine alleinstehende Mutter zu sein wird von Jahr zu Jahr weniger aufsehenerregend. So gesehen leben sie in einer Zeit des Umbruchs. Zwar ist die Forderung nach Jungfräulichkeit genauso stark wie früher, aber eine Frau wird kaum noch als verdorben angesehen, wenn sie ein Kind bekommt, ohne verheiratet zu sein.
Es ist doch klar, dass Eivor wieder anfangen soll zu arbeiten – so schnell wie irgend möglich!
Eivor fühlt sich aufgeräumt, als sie den Kinderwagen den Weg nach Hause schiebt. Genauso will sie sich fühlen: aufgeräumt, voller Energie, mit einer Kraft, die für alles reicht.
Es ist der 30. März, und zwei Tage später soll Eivor bei Algots zu arbeiten anfangen. Linnea wird sich um Staffan kümmern, während sie weg ist, und Jacob darf selbst entscheiden, wann er seine unpassende Auffassung ablegen will. Eivor fühlt sich wie ein Kind am Morgen des Heiligabends. Dass es so schnell und problemlos gehen würde, hat sie nie zu träumen gewagt. Aber vielleicht hat sich das Blattnun endlich gewendet, und der Wind bläst einmal zu ihren Gunsten …
Es ist also der 30. März, vormittags, als das Telefon läutet. Eivor hebt den Hörer ab und sagt freundlich Hallo.
Eine Woche vorher war sie bei der ärztlichen Untersuchung, die von dem Unternehmen gefordert wird.
Und nun bekommt sie Bescheid, dass sie vollkommen gesund ist.
Da ist nur eine Sache. Sie ist schwanger.
»Nein«, sagt Eivor.
»Doch«, sagt die weibliche Stimme.
»Nein«, sagt Eivor noch einmal und legt den Hörer auf.
Sie weint nicht, und sie rennt auch nicht mit dem Kopf gegen die Wand. Staffan steht ja da und hält sich an ihrem einen Bein fest, voller Entdeckerfreude. Sie macht gar nichts, reagiert überhaupt nicht, bevor Staffan seinen Mittagsschlaf hält und sie Linnea anrufen und ihr sagen kann, dass sie übermorgen nicht zu kommen braucht. Oder wann auch immer. Es wird nichts daraus … Warum nicht? Nein, das ist einfach so … Sie … Sie hat es sich anders überlegt.
Sie denkt, dass es genau das war, worauf er es im Innersten angelegt hat, als er sie auf den Fußboden zog. Als es kein weiteres Argument gab, musste er zu seiner letzten Waffe greifen, und das reichte. Sie wurde schwanger. Natürlich könnte sie eine Abtreibung versuchen, aber sich auf diesen unsicheren und demütigenden Markt zu begeben … Nein, das schafft sie nicht. Sie ist besiegt. Wieder kein Algots. In gut acht Monaten wird sie von vorne anfangen, mit durchwachten Nächten, einer Wohnung, die überschwemmt ist von Windeln und unbesiegbarer Schmutzwäsche. Und schon an einem der nächsten Tage kann sie damit rechnen, den Tag mit Spucken zu beginnen. Warum nicht am 1. April? Das wäre doch am passendsten …
Nachdem sie Linnea angerufen hat, ist Algots an der Reihe. Sie wird ihre Pflicht tun, auch wenn es bitter ist. Aber sie wird niemand anderen daran hindern, den freien Stuhl zu besetzen. Sie ist ja besiegt … Mit wem sie spricht, weiß sie nicht, aber sie sagt, wie es ist, sie kommt nicht,
Weitere Kostenlose Bücher