Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Daisy Sisters

Titel: Daisy Sisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
Großmutter sich niemals hätte vorstellen können, dass es einen Staubsauger geben könnte. Und ich habe mich am längsten dagegen gewehrt, als sie einen Staubsauger kaufen wollte. Fand, das wäre zu teuer … Ich fand! Herrgott …«
    Er schweigt, und Eivor sieht ihre Großmutter vor sich bei der Plackerei.
    »Ein zweites Kind hättet ihr euch vielleicht bald gewünscht«, sagt er nach einer Weile. »Aber jetzt … Sieh zu,dass das kein drittes Mal passiert, dann kannst du wieder anfangen zu arbeiten. Du bist ja noch jung …«
    Er hört selbst, wie dürftig sein Trost ist. Aber was soll er sagen? Jacob ist sicher nicht besser oder schlechter als andere Kerle. Und Eivor scheint ja einen starken Willen zu haben, so jung sie auch ist. Heutzutage ist es einfacher zu verhindern, dass man aus reiner Unvorsichtigkeit viele Kinder bekommt. Ein alter Kerl auf seine letzten Tage … redet über so was.
    Als sie am nächsten Vormittag einen Spaziergang machen, erzählt Eivor Elna, was Rune gesagt hat. Staffan ist bei Dagmar und Rune geblieben. Rune, der die Nacht über wach gelegen und sich bis zuletzt gegen seine Tabletten gewehrt hat, liegt endlich in tiefem Schlaf.
    Sie gehen durch den Ort. Hier und da bleibt Elna stehen und erzählt … Da am Hügel, wo jetzt ein großes Schulgebäude steht, befand sich in ihrer Jugend ein Milchgeschäft, das von einer alten Frau mit Klumpfuß geführt wurde. Sie war immer freundlich und sagte nie etwas, wenn die Kinder hinter ihr herschlichen und sie nachäfften. Und da liegt jene weiße Villa, in der sie Dienstmädchen war bei Ingenieur Ask und seiner grässlichen Frau, die Hitler über alles auf der Welt verehrte. Der große Garten ist durch einen Weg und eine Konsumhalle zerstückelt, aber das Haus hat immer noch etwas von seinem abweisenden Glanz. Dort, in jenem Haus, wurde Elna klar, dass …
    Eivor geht neben ihrer Mutter und hört zu. Jedes Detail deckt etwas aus ihrem eigenen Leben auf, was sie geprägt hat.
    Plötzlich bricht sie ab.
    »Was wolltest du sagen?«
    »Nichts …«
    Immer dieses Ausweichen, denkt Eivor. Immer dasselbe …
    »Kannst du nicht einmal sagen, was du denkst?«
    Elna schaut auf den Boden und geht langsam weiter. Erst als sie das weiße Haus passiert haben, erzählt sie, dass ihr dort klar geworden sei, dass sie schwanger war. Aber dass sie eine widerwärtige und missglückte Abtreibung in Gävle durchgemacht hat ist ein Geheimnis, das sie nie enthüllen wird.
    Sie nähern sich dem Stadtrand, und plötzlich bekommt Elna unwiderstehliche Lust, etwas herauszufinden.
    »Sollen wir noch ein Stück weitergehen?«, fragt sie, und Eivor, die einen Anflug von Eifer in ihrem Gesicht sieht, geht gerne mit. Gerade jetzt erscheint ihr jeder Augenblick mit Elna wertvoll. Jeder kleine Schimmer aus der Zeit, als Elna so alt war, wie Eivor jetzt …
    Elna erinnert sich genau an ihren einsamen Sonntagsspaziergang. Es ist nur so unfassbar, dass das schon mehr als zwanzig Jahre her ist … Sie weiß nicht mehr genau, wo sie vom Hauptweg abgebogen ist. Damals war außerdem Winter …
    Eivor fragt sich, wonach sie wohl sucht, sagt aber nichts, folgt ihr nur zu dem geheimen Schloss …
    Da ist der Pfad! Elna ist sich plötzlich ganz sicher, und sie biegen in einen Weg mit duftenden Nadelbäumen ein. Der Boden ist weich unter ihren Füßen.
    Und dann öffnet sich der Wald, und der Wachtturm steht noch da – wie eine moosbewachsene Ruine aus vorgeschichtlicher Zeit. Auf dem Boden liegen die verrotteten Reste heruntergefallener Bretter, als ob der Turm sein Haar verloren hätte, Strähne für Strähne.
    Elna geht um den Turm herum und sieht, dass die Treppe noch steht. »Sollen wir hochsteigen?«
    Eivor schaut auf die morsche Treppe, die an vielen Stellen Lücken aufweist. Wagt Elna sich da hinauf? Dann muss es wohl möglich sein, da oben den Himmel zu streifen …
    Elna steigt vorsichtig hinauf, Eivor hält Abstand.
    »Das hier ist sicher verboten«, sagt Elna.
    »Wenn wir nicht still sind, stürzt die Treppe noch ein«, antwortet Eivor.
    Als sie sich der Plattform nähern, erinnert sich Elna an den Wind, den sie dort vor zwanzig Jahren spürte. Jetzt ist er warm, aber es ist doch, als ob es derselbe wäre. Sie bückt sich und blinzelt gegen die grauen Bohlen. Sie sind voller Inschriften, die eher ein Gewebe von Linien und Kreisen bilden als Wörter mit irgendeiner Bedeutung. Aber schließlich entdeckt sie, was sie sucht, es steht noch da, was sie mit einem Nagel eingeritzt hat,

Weitere Kostenlose Bücher