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Daisy Sisters

Titel: Daisy Sisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Wohnzimmer und betrachtet ihn. Wie kann ein Mensch so unbeweglich sein, denkt sie. Er müsste doch frieren?
    Sie versucht, die schwache Ahnung zu deuten, die sie in sich trägt. Da ist etwas Bekanntes an dieser Gestalt.
    Sie hat sich gezwungen, sich für wenige Minuten auf die Abendnachrichten im Fernsehen zu konzentrieren. Als sie dann wieder zum Fenster geht, ist er weg. Sie eilt hinaus in den Flur und kontrolliert das Schloss und die Sicherheitskette. Sie hat ihn diesmal nicht verschwinden sehen, er kann sehr gut über die Straße gegangen sein, zu ihrer Haustür, und … Sie drückt das Ohr gegen die Tür und lauscht. Einen kurzen Augenblick wird sie von dem lähmenden Gefühl heimgesucht, dass er schon vor der Tür steht, auf die gleiche Weise wie sie, das Ohr an die Tür gepresst, nur wenige Zentimeter von ihrer Wange entfernt.
    Mein Gott! Warum regt sie sich auf? Wer will ihr Böses? Niemand! Sie zwingt sich, zurück zum Fernseher zu gehen, nachdem sie sich noch einmal überzeugt hat, dass die Straße leer ist.
    Diese Nacht bleibt sie angezogen auf dem Bett liegen und schlummert nur für kurze Momente ein.
    Einmal wacht sie mit einem Ruck auf und ist sicher, dass da jemand im Kinderzimmer ist. Mit klopfendem Herzen geht sie hin, und auf dem Weg nimmt sie ein Brotmesser mit, aber alles ist still. Sie breitet die Decke über Linda, streicht Staffan über das braune zottelige Haar und wütet über sich selbst, dass sie es nicht fertigbringt, sich zu beruhigen. Kommt er morgen Abend wieder, wird sie hinuntergehen, mit oder ohne Andersson. Sie muss ja nicht zu ihm hingehen, sie kann ja vorbeigehen, als ob sie auf dem Weg zu dem Obstladen wäre, der auch abends geöffnet ist.
    Sie hat es nicht nötig, aufgrund einer eingebildeten Bedrohung wach zu liegen. Was würde Katarina Fransman ihr raten, wenn sie sie jetzt sähe? Such dir einen Arzt anstelle eines Jobs …
    Mittwoch, der 7. November. Klarer Himmel über Göteborg. Das Wetter ist schnell umgeschlagen, aber einer der Flugplatzmeteorologen, der seinen Kaffee in der Cafeteria zu trinken pflegt, kann berichten, dass ein kräftiges Unwetter über England liegt und schon in der Nacht nach Südschweden vordringen wird.
    »Wann kommt der Winter?«, fragt Eivor.
    »Das hängt davon ab, wie man es sieht«, sagt der Meteorologe.
    »Der Winter kann doch wohl nur eine Seite haben«, sagt Eivor.
    »Alles hat mindestens zwei Seiten. Das gilt auch fürs Wetter.«
    »Herrgott! Kannst du nicht antworten?«
    Der Meteorologe schaut sie verunsichert an. Er ist ungefähr fünfzig Jahre alt, ein Wahrsager, der es nicht gewohnt ist, dass man ihm widerspricht.
    »Bald«, sagt er kurz. »Wir bekommen vielleicht einen frühen Winter.«
    »Vielleicht?«
    »Ich prophezeie nicht. Ich lese Karten, werte Satellitenbilder aus, stelle Wetterberichte zusammen. Darum wird es vielleicht ein früher Winter. Danke für den Kaffee.«
    Er verschwindet in seinen Turm, und gleichzeitig kommt David Enoksson aus seinem Büro gestürzt. Er sieht aus, als würde er von einem Bienenschwarm verfolgt, aber es ist sogar noch schlimmer. Jemand hat sich die verblüffende Freiheit genommen, sein Bürotelefon anzurufen, und nach Frau Halvarsson verlangt. Das ist wirklich unerhört … Er findet keine Worte für seine Empörung …
    »Telefon für Sie«, sagt er zu Eivor.
    Sie folgt ihm ins Büro und fühlt die Angst aufsteigen. Es musste etwas mit den Kindern sein. Wer sollte sonst hier anrufen?
    Sie nimmt den Telefonhörer, der auf dem Tisch liegt, während David Enoksson sich wie ein Gefängniswärter neben die Tür setzt.
    »Hallo«, sagt sie und hält den Atem an.
    Sie hört, dass es im Hörer rauscht, jemand atmet.
    Noch einmal, Hallo …
    Es klickt im Hörer. Das Gespräch ist unterbrochen.
    Sie bleibt mit dem Hörer in der Hand stehen und schaut zu Enoksson, als ob er ihr eine Erklärung geben könnte.
    »Da war niemand«, sagt sie.
    »Glaubst du, ich habe Zeit zu scherzen?«, sagt Enoksson wütend. »Glaubst du, dass so eine Restauration (er verwendet diesen Ausdruck tatsächlich) sich von allein regelt? Nichts wie Rechnungen und Bestellungen …«
    »Wer war es?«, unterbricht Eivor.
    »Ich weiß es nicht. Er hat seinen Namen nicht genannt. Das ist ja heute kaum noch üblich.«
    »Aber …«
    »Es war ein Mann. So viel kann ich sagen.«
    »Und er wollte mit mir sprechen?«
    » Kann ich wohl mit Eivor sprechen , sagte er. Das war alles.«
    Eivor legt den Hörer auf.
    Sie geht zurück zur Cafeteria, bleibt

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