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Daisy Sisters

Titel: Daisy Sisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Arbeit …
    Es ist, als ob Mutter ihre Gedanken lesen könnte. »Ich habe natürlich Frau Ask unterrichtet«, sagt sie mit einer hoffnungslos unpersönlichen Sprache. Frau Ask unterrichtet , das klingt wie … wie ein Pastor. »Und du musst dort natürlich sofort aufhören«, sagt Mutter.
    Da erst schlägt Elna die Augen auf. Warum das?
    »So eine wie dich wollen sie natürlich nicht behalten«, fährt Mutter fort, und Elna verabscheut plötzlich die Bitterkeit, die in ihrer Stimme liegt. Aber trotzdem kümmert sie eigentlich nichts anderes, als dass sie frei ist. Es ist nur merkwürdig, dass der Glatzkopf keine Bezahlung wollte … An das andere will sie nicht denken, da spürt sie ein Würgen. Mutter merkt es und fragt, ob sie brechen muss. Nein, sie wird nicht brechen, damit ist jetzt Schluss. Aber trotz des Ekels ist sie doch dankbar dafür, dass es vor dem Eingriff geschah, vielleicht wird man auf diese Weise auch schwanger, was weiß sie eigentlich? Nichts! Wie kommt es, dass alles, was damit zu tun hat, so undurchdringlich und geheimnisvoll ist?
    »Papa ist schwer erschüttert«, sagt Mutter und steht auf. Wieder redet sie in ihrer gespreizten Sprache. »Ich komme morgen und hole dich nach Hause«, fährt sie fort. »Da musst du hier weg. Und wo sollst du sonst hin?«
    Dann geht sie, mit ihrem Hut in der Hand. Die Tür schlägt hinter ihr zu.
    Es ist schön, allein zu sein. Elna denkt an Vivi. Sobald sie das Krankenhaus verlassen hat, wird sie ihr schreiben und berichten, dass alles vorbei ist. Und dann wird sie nie wieder daran denken. Doch, an Rut wird sie sich erinnern. Und vielleicht auch an die grau gekleidete Frau, die in der fremden Sprache redete. An ihre Hände und ihre betrübten Augen.
    Eine stille Freude breitet sich in ihr aus. Jetzt, wo alles vorbei ist, wird sie auch mit dem Vater zurechtkommen. Aus all diesen Widrigkeiten erwächst auch eine Stärke.
    Das Einzige, woran sie jetzt denken will, sind die zwei Sommerwochen zusammen mit Vivi. Die unglückselige Nacht in der Scheune wischt sie fort.
    Sie erwacht, als ein Arzt und zwei Krankenschwestern anihrem Bett stehen. Die, die gelächelt hat, ist nicht dabei; die zwei, die untertänig einige Schritte Abstand von dem grauhaarigen Arzt halten, sehen ernst aus.
    »Sie hatten Glück«, sagt der Arzt barsch. »Sie haben viel Blut verloren. Haben Sie das selbst gemacht? Womit? Eine Stricknadel? Ein Quirl?«
    Elna denkt fieberhaft nach und erinnert sich an die Worte des Glatzköpfigen. Also nickt sie.
    Ja, sie selbst. Niemand sonst.
    Der Arzt sieht sie lange an. »Sie hatten Glück«, sagt er wieder. »Sie haben viel zerstört mit dem, was Sie da angewendet haben. Adern und Gewebe. Aber nicht die Hülle. Wir haben den Fötus gerettet. Er ist unverletzt.«
    Und dann, als er auf dem Weg aus dem Zimmer ist: »Morgen können Sie nach Hause fahren.«
    Das geht so schnell, dass sie gar nicht dazu kommt, sich zu wehren. Alles ist also schiefgelaufen? Der Glatzkopf wollte keine Bezahlung, weil es schiefgegangen war, er hatte sie nur verletzt? Sie ist weiterhin schwanger, das Kind liegt immer noch da unter ihrer Haut und wird mehr und mehr ein Mensch mit jedem Atemzug?
    Da fängt sie an zu schreien. Sie will es nicht haben, will es nicht. Sie tritt und schlägt um sich, aber was hilft das? Jemand gibt ihr etwas zu trinken, und dann schlummert sie wieder ein. Und diesmal will sie nie mehr erwachen.
     
    In der Küche sitzt Vater am Tisch. Die Hände liegen wie zwei Schmiedehämmer vor ihm auf dem Wachstuch. Nils wurde hinausgebeten, Arne hält sich von allein fern. Im Fenster der unteren Wohnung hat sie Esters Gesicht hinter der Gardine gesehen. Aber nichts berührt sie noch, alles ist schon vorbei. Mit etwas Glück wird Vater vielleicht so unbändig, dass er sie totschlägt. Oder auf den Hof hinauswirft, wie er es mitden Töpfen macht, wenn er betrunken ist. Aber er tut nichts dergleichen. Von ihm geht nur eine kompakte Stille aus, als ob er eine gefrorene Statue wäre. Nicht ein einziges Wort. Nur der Blick, der ihr die ganze Zeit folgt.
    Sie versteht ja, dass er sich schämt. Aber versteht er, dass sie am liebsten auf seine Knie klettern und sich verstecken würde? Versteht er das? Dass Mutter das nicht tut, weiß sie bereits. Sie ist im großen Sumpf der Schande verschwunden, er bedeckt schon ihren Kopf. Zuoberst schaukelt der schwarze Hut wie ein toter Vogel.
    Es vergeht eine Stunde, vielleicht mehr. Mutter ist in der Kammer verschwunden.
    Elna sitzt ganz

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