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Daisy Sisters

Titel: Daisy Sisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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niedrigen Stühle zu setzen, als schon eine Bedienung vor ihnen steht, ein Mann mit dickem Bauch und einer schmutzigen Schürze über dem Wanst.
    »Bier und Schnaps«, sagt Vivi. »Coca-Cola für dich?«
    Eivor nickt.
    »Ich will kein Bier«, sagt Elna verschreckt. »Mitten am Tag?«
    »Du bist in Kopenhagen«, antwortet Vivi. »Was spielt das für eine Rolle? Ich dachte, du hättest Urlaub?«
    »Falls du es nicht austrinkst, kann ich das tun«, denkt Eivor.
    »Wenn ich bloß begreifen könnte, warum du so beunruhigt aussiehst«, sagt Vivi, und Eivor merkt, dass sie irritiert ist.
    So ist’s recht, denkt Eivor hastig, gib’s ihr, fahr über sie weg.
    »Es regnet nie anhaltend in Kopenhagen«, fährt Vivi fort. »Nur so lange, dass man ein Bier und einen Schnaps trinken kann.«
    »Ich bin nicht beunruhigt«, sagt Elna. »Wieso glaubst du das?«
    »Ich sehe, was ich sehe.«
    »Dann siehst du falsch.«
    Zwei Flaschen Tuborg stehen jetzt auf dem Tisch, ebenso zwei bis zum Rand gefüllte Schnapsgläser. Eivor füllt ihr Glas mit Coca-Cola und stößt mit an, als Vivi ihr das Glas entgegenhält. »Skål!«
    »Ich verstehe wirklich nicht, warum du meinst, ich wirke unruhig«, beginnt Elna erneut, und Eivor stöhnt leise. Mutter, Mutter …
    »Das ist eben so«, sagt Vivi. »So war das immer mit mir. Das weißt du doch wohl noch? Ich denke, dass mir etwas auffällt an einem Menschen, und dann sage ich es. Ich erinnere mich, dass das eins der ersten Dinge war, die du mir gesagt hast, als wir uns getroffen haben in jenem Kriegssommer. Dass ich immer gleich zur Sache käme.«
    »Habe ich das getan?«, fragt Elna.
    »Du willst doch wohl nicht behaupten, dass du das vergessen hast?«
    »Es ist so lange her …«
    »Das glaube ich dir nicht. Und weißt du, warum?«
    »Nein?«
    »Weil du mir später in einem Brief geschrieben hast, das wäre etwas gewesen, was ich dich gelehrt hätte.«
    »Was denn?«
    »Immer gleich zur Sache zu kommen.«
    Vivi runzelt die Stirn und betrachtet Elna nachdenklich. Kann es wirklich sein, dass sie das vergessen hat? Oder dass sie sich an ganz unterschiedliche Dinge erinnern aus diesem Kriegssommer, von dieser Fahrradtour? Will sie sich nicht erinnern? »Die Daisy Sisters hast du aber doch nicht vergessen?«
    »Nein«, sagt Elna ausweichend.
    »Willst du nicht darüber sprechen?«
    »Das ist so lange her …«
    Vivi schüttelt den Kopf und schaut Eivor fragend an. »Aber du hast doch wohl davon gehört? Dass wir uns Daisy Sisters nannten, als wir in Dalarna herumgeradelt sind.«
    Daisy Sisters? Wovon sprechen sie? Eivor hat nie ein Wort darüber gehört.
    »Ich habe nie etwas über diesen Sommer gehört«, sagt sie. »Das Einzige, was ich weiß, ist, dass mein Vater an irgendeiner Ecke mit dabei gewesen sein muss … Einer kleinen Ecke.«
    »Eivor«, sagt Elna aufgebracht. »Was meinst du –«
    Sie wird unterbrochen von Vivis lautem Gelächter. »Entschuldige«, sagt sie. »Aber das hört sich so komisch an … eine kleine Ecke.«
    »Ich kann nicht verstehen, was daran so lustig ist«, sagt Elna.
    Aber das hätte sie nicht tun sollen. Zu plötzlich, ohne Vorwarnung, wird Vivi wütend.
    »Elna«, sagt sie. »Ich verstehe nicht, warum du mich besuchst, wenn du so sauer bist und über nichts reden willst. Du warst es doch wohl, die kommen wollte, wir zwei sind es doch, die sich kennen. Ich verstehe nicht, was dir nicht gefällt. Was auch immer ich sage, es ist nicht in Ordnung. Wenn du so weitermachen willst, denke ich, dass wir zurückfahren sollten, sobald es aufgehört hat zu regnen.«
    Elna wird weiß im Gesicht. Sie starrt auf die Tischplatte, einen kurzen Augenblick glaubt Eivor, dass sie gleich in Tränen ausbrechen wird, aber sie sitzt nur da, unbeweglich.
    Natürlich tut sie Eivor augenblicklich leid. Das ist immer so, wenn Mutter nicht antworten kann, auch wenn es ihr eigener Fehler ist, auch wenn sie wegen nichts schmollt. So ist es immer gewesen, und so wird es wohl auch immer bleiben. Schmollt Elna, dann sitzt Eivor da und bittet stumm um Entschuldigung dafür, dass sie nicht den Anstand hatte, ungeboren zu bleiben …
    Die Tür zur Kneipe schlägt plötzlich auf. Der Schauer ist vorüber.
    »Geh eine Weile raus«, sagt Vivi zu Eivor. »Wir bleiben noch hier. Und du findest zurück. Oder?«
    Ja, natürlich tut sie das. Aber gerade jetzt hat sie keine Lust, hier wegzugehen. Nicht, wenn Mutter dasitzt und aussieht, als ob ihr jemand gesagt hätte, sie sei nichts wert.
    Vivi wirkt jedoch sehr

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