Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)
Gedanken viele Jahrzehnte zurückgereist war und als junges Mädchen noch im Schoße ihrer Familie lebte. Es dauerte eine kleine Weile, bis maman weitersprach.
„Meine Eltern waren herzliche und liebevolle Menschen. Für ihre Kinder haben sie alles nur Menschenmögliche getan. Aber Cecile waren sie nicht gewachsen. Cecile war die einzige meiner ganzen Geschwister, einschließlich mir, wo mein Vater streng durchgreifen musste.“
Fragend schaute ich maman Sofie an, die meinen Blick auffing.
„Du musst wissen, dass wir einfache Leute waren. Meine Eltern hatten ein gutes Auskommen, aber Flausen im Kopf konnte sich keiner bei uns erlauben. Meinen Eltern war eine gute Erziehung sehr wichtig. Und es lag ihnen am Herzen, dass wir alle die Schule besuchten. Vier Jahre haben wir alle die Schule besucht, zwei meiner Brüder waren so gescheit, dass meine Eltern es ihnen sogar ermöglichten, die höhere Schule zu besuchen.“
Maman Sofie schüttelte leicht ungläubig ihren Kopf, als sie sich gedanklich in die Vergangenheit begab.
„Sogar Cecile ist vier Jahre zur Schule gegangen, obwohl sie damals schon davon überzeugt war, dass diese vier Jahre völlige Zeitverschwendung seien. Sie träumte schon als Kind davon, dass ein junger, wohlhabender und natürlich sehr gutaussehender Mann vorbeikommen würde, sie erblickt, heiratet und mit ihr die Welt erobert.“
Wieder verfiel maman Sofie in ein kurzes Schweigen. Nach einer Weile fragte ich leise: „Und, kam er vorbei?“
Maman Sofie blickte mich an und ich sah, dass Tränen in ihren Augen standen. „Ja, ein wenig später kam er. Aber erst waren da die Jahre bei uns zuhause, in denen wir Kinder mithelfen mussten. Wir Mädchen natürlich vorzugsweise im Haushalt und in der Küche. Mir hat das immer sehr viel Freude bereitet. Nicht aber Cecile. Es gab keine Arbeit, die sie gerne ausführte. Sie freute sich nur auf ihre Geburtstage, an denen sie immer ein Jahr älter wurde.“
Wieder folgte ein kurzes Schweigen und ich wusste instinktiv, dass eine furchtbare Geschichte folgen würde.
„Es war Ceciles vierzehnter Geburtstag. Ich kann mich noch gut erinnern, es war ein wunderschöner Herbsttag Anfang Oktober. Mutter hatte sich selbst übertroffen und eine riesengroße Torte gebacken, die über und über mit selbstgemachten Pralinen verziert war. Cecile sah älter als vierzehn aus und ich hatte schon einige Zeit beobachtet, dass auffallend oft ein sehr teuer gekleideter Herr durch unsere Straße ritt. Er sah sehr gut aus, aber er war auch viele Jahre älter als Cecile oder ich. Bestimmt schon weit über dreißig, wenn nicht gar älter. Und immer, wenn dieser Mann auftauchte, tummelte sich Cecile unter irgendeinem Vorwand im Vorgarten unseres Hauses. Einmal sprach ich sie an und habe gefragt, wer dieser Herr sei. Cecile schaute mich verschwörerisch an, niemals werde ich diesen Augenblick vergessen. Sie sagte zu mir, dass dieser Mann ihr Schlüssel in die große weite Welt sei. Ich schüttelte den Kopf und fragte sie lachend, wie sie auf dieses Hirngespinst kommt. Sie wurde wütend, schubste mich aus dem Weg und sagte im Weggehen, dass ich Bauerntrampel es sowieso nicht verstehen würde. Ich hätte ja keine Träume. Damals lachte ich Cecile aus. Jeder in unserer Familie lachte über Cecile, wenn sie von einem anderen Leben träumte. Wir alle wussten, wohin wir gehörten, welche Wege uns möglich waren und was uns verwehrt war. Träume hatten wir alle, aber keiner von uns hat jemals versucht, nicht erreichbare Sterne vom Himmel zu holen.“
Bevor maman Sofie weitersprach, schaute sie eine Weile scheinbar angestrengt nach draußen.
„Im Nachhinein war es uns allen klar. Es war sonnenklar, dass an diesem Tag, an ihrem vierzehnten Geburtstag etwas ganz anders war als sonst. Cecile hatte ohne Murren ihr mit roten Blumen besticktes weißes Sonntagskleid an. Sie konnte dieses Kleid nicht ausstehen. Viel zu brav wäre es. Wie eine Zehnjährige würde sie darin aussehen. Ohne Klagen hatte sie ihre langen blonden Haare zu zwei Zöpfen geflochten und an diesem Tag zu einer kunstvollen Frisur hochgesteckt. Unsere Eltern ließen sie gewähren, da es ihr Geburtstag war und es hat wirklich sehr hübsch ausgesehen. Cecile war ganz hingerissen von der Geburtstagstorte und ihren Geschenken. Keinem von uns wäre es in den Sinn gekommen, dass dies alles nur ein Spiel von ihr war. Aber ein Spiel war es wohl.“
Maman Sofie atmete tief ein.
„ Nur kurze Zeit später, nachdem die Torte
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