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Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)

Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)

Titel: Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samarkand
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Saarlouis. Den „Schwanengasthof“ gibt es heute nicht mehr, der ist nur ein paar Jahre nach diesem furchtbaren Ereignis den Flammen zum Opfer gefallen. Heute stehen dort ein paar einfache Baracken, wo die Mädchen den Freiern zu Willen sind.“
    Maman Sofie schluckte schwer und ich reichte ihr schnell aus unserem Proviant ein Glas leichten Weißweins verdünnt mit etwas Wasser. Dankbar nahm sie das Glas und trank es in einem Zug fast leer.
    „Meine kleine Schwester war eine Dirne. Ich konnte es nicht glauben. Ich wollte es nicht glauben. Sie war doch erst vierzehn. Und in diesem Moment erfasste mich ein für mich außergewöhnlicher Mut. Ich erhob mich, schlich leise zurück in meine Kammer, die ich mit Louisa, meiner älteren Schwester teilte. Louisa schlief tief und fest. Leise kleidete ich mich an, band schnell meine Haare zusammen und schlich mit den Schuhen in der Hand leise die Treppe hinunter. Ich wusste, wenn ich auf der Treppe ganz weit rechts am Rand gehe, würde sie nicht knarzen. Unten im Flur angekommen ging ich nur schnell in die Küche, um einen Schluck Wasser zu trinken, dann zog ich mir in Windeseile meine Schuhe an und verließ im Dunklen leise und heimlich unser Haus durch die Küchentür. Ich schlich mich durch unseren Kräutergarten an die hintere Mauer. So blieb ich ungesehen. Es musste wohl ungefähr die elfte Nachtstunde gewesen sein und das mitten in der Woche, wo brave Bürger schon längst schliefen, aber ich wollte kein Risiko eingehen. Ich kannte die kleinen Nebenwege gut. Im Laufschritt gelangte ich so in der Dunkelheit in die Nähe des berüchtigten Viertels. Dort brannten vor den gewissen Etablissements manchmal ein paar Kerzen, ich hörte Stimmen und sah die Glut von Zigarettenstummeln, bevor sie auf den Dreck der Straße geworfen wurden. Es stank bestialisch und ich wusste, dass ich sehr vorsichtig sein musste. Irgendwie konnte ich mich zwischen zwei nicht ganz so dicht beieinander stehenden Häusern, ohne gesehen zu werden, durchschlängeln. Mein Herz pochte so laut, dass ich dachte, ein jeder im Umkreis müsste es hören. Und ich hatte Angst, große Angst, entdeckt zu werden. Nur die Sorge um Cecile ließ mich immer weiter in diesen Sumpf eintauchen. Als ich am Ende des schmalen Ganges angekommen war, herrschte wieder absolute Finsternis um mich herum. Ich lauschte, konnte aber nur entferntes Lachen und ein paar unverständliche Wortfetzen vernehmen. Ich drückte mich ganz eng an die Hauswand und ging so langsamen Schrittes nach rechts. Mein Orientierungssinn war recht gut und so wusste ich, dass ich auf diesem Weg in die hintere Gasse in die Nähe des „Schwanenhofes“ gelangen würde.“
    „Was hattest Du vor , maman?“
    „Ich weiß es nicht. Nachde m, was ich erfahren hatte, musste ich einfach etwas unternehmen. In der Zwischenzeit war mir furchtbar kalt geworden. Es war ja bereits Dezember und ich hatte mir nur mein Wolltuch umgeworfen. Aber natürlich wollte ich nicht noch einmal zurück. Jetzt, da ich mich schon so weit vorgewagt hatte. Meine Gedanken drehten sich nur um meine kleine Schwester und darum, nicht entdeckt zu werden. Mir war gar nicht der Gedanke gekommen, dass es unmöglich sein würde, Cecile zu finden, zudem noch mitten in der Nacht. Aber es war nicht unmöglich. Nach nur wenigen Schritten stand ich schließlich an der Rückseite des „Schwanengasthofs“. Ich sah dämmriges Licht durch manch einen Vorhang und hörte lautes Lachen und gellende Schreie aus dem Erdgeschoss. Mir lief es eiskalt den Rücken runter.“ Maman erschauerte, als sie sich erinnerte.
    „Vor lauter Angst konnte ich kaum schlucken“, sprach sie weiter. „Du wirst Dich fragen, wieso ich, die brave Tochter, diesen Weg so gut kannte. Das ist gar nicht schwer zu erklären. Es gab eine etwas größere Straße in unserem Stadtteil, die diese Gegend von dem Viertel, in dem wir und viele andere bürgerliche Leute wohnten, trennte. Und diese Trennung wurde eingehalten. Im Großen und Ganzen jedenfalls. Natürlich sahen wir in unseren Straßen ab und zu ein leichtes Mädchen. Ja, und am Tag benutzten viele von uns die Straßen durch dieses besagte Viertel als Abkürzung. Am Tag war es dort recht still. Ich bin diese Wege oft mit meinen Brüdern gegangen, um Ausbesserungsarbeiten an Kleidern und Anzügen, die unsere Mutter gemacht hatte, auszuliefern. Mutter hatte einen recht guten Ruf als Näherin und das in mehreren Vierteln der Stadt und so konnten wir uns viele große Umwege sparen.

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