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Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)

Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)

Titel: Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samarkand
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im Weinkeller niemandem begegnete. Aber auch ich ging selten hinab, konnte ich mir doch bringen lassen, was ich wollte.
    Einmal hatte ich mich in der Tür geirrt, als ich in die Küche zu Yanice wollte. Ich war in meinen eigenen Gedanken so gefangen gewesen, dass ich die Tür zur Küche verpasste und eine dahinterliegende Tür öffnete. Es war eine Abstellkammer und auch dieser Raum war verwaist. Hier fand man außer alten Besen und ausrangiertem Geschirr nichts außer Spinnweben. Ewige Zeiten war hier schon nicht mehr saubergemacht worden. Ich wollte den Raum gerade wieder verlassen, als ich die Stimme von Yanice so klar vernahm, als wenn sie neben mir stehen würde. Wie konnte das möglich sein? Diese Wand war doch gemauert? Meine Augen suchten die Wand ab und ich sah in der Wand zur Küche hin gleich links, wenn man die Kammer betrat, eine kleine Öffnung. Sie war vielleicht handtellergroß und nur mit einem Stück fadenscheinigem Leinen verschlossen. Ob es sich hier um eine Art zusätzliche Belüftung handelte? Denn vor der Öffnung in der Küche selbst stand der große Kochofen, auf dem immer Töpfe und Pfannen standen, in denen das Essen für die Dienerschaft und für mich zubereitet wurde. Und manches Mal, wenn auch sehr selten, für Jacques. Wenn ich mich an die Wand presste, konnte ich einen Großteil der Küche sehen, wenn nicht gerade ein großer Topf die Sicht versperrte. Und ich konnte hören, was dort gesprochen wurde.
    Nur einen Monat, nachdem meine Freunde abgereist waren, hatte ich die Kammer „gefunden“ und eine Zeitlang wurde diese Kammer für mich das Tor zur Welt. Ich ging meist erst hinunter, wenn ich in meinem Salon zu Abend gegessen hatte. In das Esszimmer wollte ich nicht, da auch dieser Raum mich mit seiner Größe erschlug. Dann wartete ich, bis Maiwenn mir beim Auskleiden geholfen hatte. Ich hätte es zwar selbst auch tun können, aber ich ließ es geschehen. Es kümmerte mich nicht und ich traute mich auch nicht, irgendetwas zu verändern. Ich war eine Fremde in diesem Haus und würde es auch bleiben. Und so schlich ich mich erst hinunter, wenn ich wusste, dass die Dienerschaft ihr Tagewerk beendet hatte und sich am Abend in der Küche niederließ. Jedenfalls die, die im Haus wohnten. So erfuhr ich, wer im Dorf mit wem anbändelte, dass Maiwenn sich nicht entscheiden konnte, welchen der beiden Burschen, die ihr den Hof machten, sie heiraten sollte, wer sich untereinander in der Dienerschaft nicht leiden konnte. Und die Zahl derer, die sich nicht mochten, war nicht klein. Ich war ein wenig schockiert, dass nicht einmal diese Menschen untereinander sich mochten. Aber es brachte mir auch ein Stück Erleichterung. Lag es so doch nicht daran, dass man mich nicht leiden konnte, sondern dass viele hier im Haus sogar recht unbeliebt waren. Und so erfuhr ich auch, wie viele Feste hier noch zu Zeiten, als meine Schwiegereltern noch in Pointe du Raz lebten, gefeiert worden waren. Jedenfalls bis zum Tod von Gerard, Jacques älterem Bruder. An diesem Platz erfuhr ich auch, wo Jacques sich hier und da aufhielt. Und mit wem. Aber irgendwann war das alles für mich völlig ohne Bedeutung. Ich würde nie die Frau an Jacques Seite werden. Das Geschäft war erfüllt. Anstelle eines Kindes von mir würde irgendein Bastard von Jacques das Erbe nach dem Ableben meines Ehegatten antreten. Ich wurde der ganzen Geschichten ein wenig müde. Hatte ich am Anfang noch gehofft, auf diese Weise zu erfahren, wie ich eine Beziehung zu den Menschen hier im Haus aufbauen konnte, indem sie über mich sprachen, wusste ich jetzt, dass ich für sie eigentlich gar nicht existierte. Sie sprachen nicht über mich. Und in diesem Moment, als mir das bewusst wurde, fragte ich mich, was schlimmer ist. Dass über einen Menschen getuschelt wurde oder man gar nichts über ihn erzählte? Darauf konnte ich mir selbst keine Antwort geben und fügte mich weiter still und leise in mein Schicksal.
     
    Fünf weitere Jahre gingen ins Land, meine geliebte Insel bewunderte ich immer noch aus der Ferne und außer meinem Turm interessierte mich nur noch der Garten.
    Es war der Tag meines neununddreißigsten Geburtstags, den ich gewohnheitsmäßig allein verbrachte. Aber irgendetwas war anders als sonst. Es begann schon in der Früh, als ich erwachte. Eine für mich völlig unbekannte Unruhe hatte mich erfasst. Ich mochte nichts essen, konnte nicht lange stillsitzen, und als ich mich am frühen Nachmittag entschlossen hatte, einen meiner

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