Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)
hatte es mit der immer wiederkehrenden Stierabbildung auf sich?
Angst hatte ich keine , dafür war ich viel zu fasziniert. Aber dennoch machte ich mich langsam auf den Rückweg. Ich hatte nicht den Hauch einer Ahnung, wie lange mein Ausflug schon andauerte. Als ich die runde Höhle verließ, die paar Schritte bis zu den fünf Stufen zurückgegangen war, am steinernen großen Trog vorbei, kam ich nicht mehr sehr weit, ohne nasse Füße zu bekommen. Das Wasser kam und umspülte den Weg, den ich hergekommen war. Trotzdem ging ich weiter zurück bis zur Felsspalte. Das Wasser bedeckte nun meine Knöchel, aber es schien nicht weiter zu steigen. Während ich durch die Felsspalte hinausspähte, hielt ich mich an den Felswänden fest. Draußen war es fast schon dunkel, das Meer war unruhig und umspülte die Plattform mit so einer Wucht, dass ich mich nicht traute, am Rand entlang zu den nach oben führenden Stufen zu gelangen. Was sollte ich nur tun? Es sah nicht danach aus, als ob das Wasser bis zur Tropfsteinhöhle vordringen würde. Jedenfalls hoffte ich das. Eine große Auswahl, was ich tun könnte, hatte ich nicht. Die Höhle war durch die brennenden Feuer angenehm warm und vielleicht hatte ich ja Glück und die Flammen in den steinernen Gefäßen würden nicht verlöschen. Vermissen würde mich auch niemand, Maiwenns Dienste nahm ich vor dem Zubettgehen schon lange nicht mehr in Anspruch, also entschied ich mich zu bleiben.
Wie gesagt, meine Auswahl war mehr als begrenzt. Zum zweiten Mal an diesem Tag ging ich den Weg in die Höhle hinein. Die Flammen loderten noch immer und ich wählte mir einen Schlafplatz im Kreis bei der nach unten führenden Treppe. Ich entledigte mich meiner nassen Schuhe und stellte diese zum Trocknen auf den Rand eines der Tröge, damit das warme Feuer sie trocknen konnte. Der Boden war warm, ich legte mich darauf nieder und meine Jacke sollte für die bevorstehende Nacht mein Kopfkissen sein. Ich positionierte mich so, dass ich den Gang, der in die Höhle führte, überblicken konnte. Nur für den Fall der Fälle. Angst hatte ich keine, nur Hunger und Durst, vor allen Dingen Durst. Fragen über Fragen stürzten auf mich ein, aber ich war mittlerweile so müde, dass ich immer wieder einnickte, um wenig später in einen tiefen Schlaf zu versinken. Ich träumte …
In diesem Traum war ich in der Höhle, die mir für diese Nacht als Schlafplatz diente. In diesem Traum saß ich wachen Geistes auf den Stufen und die Höhle war hell erleuchtet durch die Flammen und durch das von den Stalaktiten abgegebene Leuchten. In meinem Traum kam ein groß gewachsener und schlanker Mann auf mich zu. Mehr konnte ich nicht erkennen, da seine ganze Gestalt in einen schwarzen Umhang gehüllt war. Er trug ein Tablett und forderte mich mit leiser, melodiöser Stimme auf, zuzugreifen.
„Greif nur zu, iss und trink, soviel Du magst.“
Als er das Tablett abstellte, konnte ich seine Hände sehen. Es waren die Hände eines alten Mannes, aber so schön, so feingliedrig und sanft.
Auch in meinem Traum hatte ich keine Angst. Hungrig und durstig machte ich mich über die feinen Speisen, das klare Wasser und den erlesenen Wein her. Sobald sich eine Schale leerte, erschien im nächsten Augenblick eine neue Leckerei auf dem Tablett. Ich aß, bis ich satt war und stillte meinen Durst. Die ganze Zeit über beobachtete mich der in schwarz gehüllte Unbekannte aus einer gewissen Distanz. Als ich gesättigt war, schaute ich zu ihm hinüber.
„Wer bist Du?“, fragte ich ihn erst jetzt.
„Mein Name lautet Gavin. Ich bin der Befreier dieser Höhle.“
In meinem Kopf schwirrte es. Mit dieser Antwort konnte ich nichts anfangen. Er kam auf mich zu, setzte sich und sprach mich an. „Ich bitte Dich, erzähl mir von Deinem bisherigen Leben.“
„Was soll ich sagen?“ , erwiderte ich. „Es gibt nicht allzu viel zu erzählen.“
„ Ich weiß“, sagte Gavin, „aber gerade darum bitte ich Dich, mir alles zu erzählen.“
Und wie ich ihm von meinem Leben erzähl te, stellte er vor uns zwei goldene Becher mit Wein und nahm dann meine Hände in die seinen und mir fiel es wieder wie Schuppen von den Augen, wie trostlos mein ganzes Leben war, wie mutlos ich selbst. Was für eine traurige Gestalt ich doch abgab. Aber ich kannte es doch nicht anders. Ich wusste es doch nicht besser. Oder?
Ohne dass ich Gavins Augen sehen konnte, wusste ich, dass er mich die ganze Zeit ansah. Ich blickte in das Schwarz unterhalb seiner Kapuze
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