Damals hast du mich geliebt
ungewohnt still. Chloe fiel auf, dass er in seiner Wohnung seit damals nichts verändert hatte. Alles war noch genauso schlicht, modern, funktional und komplett unpersönlich. Dazu auch noch farblos. Wie konnte man ohne Farben leben?
Als James den Lichtschalter im Flur umlegte und von der Helligkeit geblendet wurde, stöhnte er gequält auf.
Chloe schaltete die Lampe sofort wieder aus. Dank der großen Fenster im Wohnzimmer reichte das Licht der Straßenlaternen und der benachbarten Gebäude aus.
Dieser Tag hatte Chloe völlig erschöpft, deshalb fragte sie sich, wie James noch aufrecht stehen konnte. Sie führte ihn direkt ins Schlafzimmer, zog die Laken seines schlichten, modernen Bettes zurück und sah ihn entschlossen an.
„Keine Widerrede.“
„Chloe, ich will dich schon seit einem Jahr wieder in meinem Bett haben. Glaub mir, ich wehre mich nicht.“
Sie warf ihm einen ungläubigen Blick zu. „Du kannst dich kaum bewegen. Ich weiß nicht, was du heute Nacht in deinem Bett vorhast.“
„Dich festhalten. Im allerbesten Fall“, sagte er. Dann versuchte er etwas zu forsch, sein Jackett abzustreifen, und zog eine schmerzerfüllte Grimasse.
Chloe nahm ihm das Jackett ab und hängte es in seinen penibel aufgeräumten Schrank. Sie wusste genau, wo die Jacke hingehörte. Als sie zurückkam, hatte James seine Krawatte gelöst. Chloe nahm sie ihm ebenfalls ab und hängte sie auf. Irgendwie drängte es sie, sich um ihn zu kümmern. Das war etwas, das sie nie hatte für ihn tun dürfen – und auch kein anderer, soweit sie wusste.
Sie öffnete seine Hemdknöpfe, wie sie es in ihrer ersten Nacht getan hatte. Als sie ihn noch für ihr Bräutigam-Model gehalten hatte. Und als sie seine malträtierte Brust mit den Fingerspitzen berührte, hätte sie schwören können, dass es sich noch genauso aufregend anfühlte wie damals bei jenem ersten Mal.
„Deckst du mich auch zu?“ James’ Stimme klang sanft.
„Wenn du Glück hast.“
In der schwachen Beleuchtung des Schlafzimmers konnte sie sein schelmisches Grinsen erkennen. „Ich finde, ich habe momentan sehr viel Glück“, sagte er.
Unglücklicherweise fühlte sich Chloe dadurch an die Worte des Arztes erinnert.
Wären Sie auf der Straße gelandet statt auf dem Gehweg, dann hätte Sie wahrscheinlich ein Auto erwischt. Sie hätten auch unglücklich stürzen können … Dass Sie sich nichts gebrochen haben, ist ein Wunder.
Chloe spürte, wie sie ein Schauder überlief.
James nahm ihre Hand, hielt sie einen Moment lang an seine Brust gepresst und atmete tief ein und aus. Dann führte er ihre Finger an die Lippen und küsste sie zärtlich.
„Nicht drüber nachdenken, Chloe. Mir geht’s gut.“
Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen und konzentrierte sich deshalb darauf, die restlichen Hemdknöpfe zu öffnen und die Manschetten zu lösen. Schließlich streifte sie ihm das Hemd von den Schultern. Bevor sie es jedoch aufhängen konnte, nahm James es ihr aus den Händen und ließ es zu Boden fallen.
Dann legte er behutsam die Arme um sie und zog sie langsam und zärtlich zu sich.
„Ich sollte jetzt gehen“, sagte sie. „Du musst dich ausruhen.“
„Genau wie du.“ Er küsste ihre Stirn und ließ die Finger durch ihre Haare gleiten. „Ich finde, du solltest heute nicht allein sein.“
„Sollte ich nicht?“
„Wir beide sollten das nicht. Und ganz sicher will ich es nicht. Bleib bei mir, Chloe. Lass mich dich einfach nur festhalten, morgen früh reden wir dann. Du hast mir versprochen, dir anzuhören, was ich über Giselle zu sagen habe.“
Chloe schloss die Augen. Sie bezweifelte, dass er irgendetwas sagen konnte, das einen Unterschied machte. Würde er sie erneut belügen? Sogar jetzt noch? Schließlich hatte sie ihn mit diesem Biest zusammen erwischt. Sie hatten sich in den Armen gelegen. Und das war keine unschuldige Umarmung gewesen, sondern hatte das Ende ihrer Beziehung bedeutet.
Wie war es nur möglich, dass sie sich so sehr wünschte, hier bei ihm zu sein, wo er sie damals doch so sehr verletzt hatte?
Wie konnte sie sich einbilden, irgendetwas hätte sich seitdem geändert?
Das war, als würde man von einem Sattelschlepper überfahren, danach auf der Straße liegen bleiben und den Fahrer bitten, noch einmal zurückzusetzen.
War sie wirklich so dumm?
Okay, vielleicht war sie das.
Denn nichts wünschte sie sich sehnlicher, als mit James in diesem Bett zu liegen.
Schließlich brachte sie leise hervor: „Ganz ehrlich, James … Ich
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