Damals im Dezember
Er war erst um acht Uhr morgens ins Hotel zurückgekehrt und hatte daher die Auseinandersetzung zwischen Lucy und Marshall nicht mitbekommen.
»Das geht dich nichts an«, entgegnete Marshall. »Sie hat ihren Weg selbst gewählt.«
»Du bist so eine Null«, meinte Candace.
Marshall zeigte mit dem Finger auf sie. »Halt den Mund.«
»Sprich nicht so mit ihr«, schaltete ich mich ein und beugte mich drohend zu ihm vor. Er duckte sich weg. »Du bist ein solcher Dreckskerl, Marshall. Bist es immer gewesen. Du beschönigst deinen Egoismus, als handelte es sich dabei um eine tiefe philosophische Einsicht, aber die Wahrheit ist, dass du ein Betrüger und ein Abzocker bist. Es wird Zeit, dass du verschwindest.«
Er lachte und wandte sich an Sean. »Ist dieser Kerl noch zu fassen?« Dann sah er wieder zu mir hin. »Das ist ein freies Land, Mann.«
»Frei vielleicht, aber nicht umsonst. Es kostet zweitausend Euro am Tag.«
»Ich geh nicht weg, Alter.«
»Nun, ich jedenfalls zahle nicht mehr für dich«, teilte ich ihm mit.
Er verzog das Gesicht. »Wovon redest du? Du zahlst nicht für mich. Das tut Sean.«
»Ach, wirklich?« Ich wandte mich Sean zu. »Stimmt das?«
»Ich zahl’s dir zurück«, murmelte Sean.
Ich schüttelte den Kopf. »Ich mach es euch beiden leicht. Ich gebe Sean keinen einzigen Euro mehr, bis du verschwunden bist.«
»Wow«, sagte Sean und lehnte sich zurück. »Das ist aber hart.«
Marshall sah Sean in der Hoffnung an, von ihm unterstützt zu werden. Doch Sean zuckte nur mit den Schultern. »Tut mir leid, Mann«, sagte er. »Ich kann da nichts machen.«
Marshalls Gesicht wurde rot. »Du nennst mich einen Betrüger. Hast du Candace je von deinem One-Night-Stand mit der Studentin von der Uni Pennsylvania erzählt?«
Candace wurde blass und sah mich schockiert an.
Marshall grinste. »Ich glaube, nicht.«
»Stimmt das?«, fragte Candace.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Als ich nicht antwortete, stand sie auf und stürmte von unserem Tisch weg. Ich stand ebenfalls auf und blickte ihr nach, wobei ich überlegte, ob ich hinter ihr her rennen sollte oder nicht.
»Glashäuser und Steine«, kommentierte Marshall. Er sah wieder zu Sean hin. »Ich brauche Geld, um nach Hause zu kommen.«
»Ich bin pleite«, sagte Sean.
Marshall wandte sich an mich. »Ich brauche ein wenig Geld.«
Ich sah ihn zornerfüllt an. »Das kann ja wohl nicht dein Ernst sein.«
»Und was soll ich jetzt tun?«
»Das ist nicht mein Problem«, entgegnete ich.
Zwanzigstes Kapitel
Wie können so wenige Sekunden des Vergnügens so viele qualvolle Tage nach sich ziehen?
Aus dem Tagebuch von Luke Crisp
Candace sprach den restlichen Tag nicht mehr mit mir, und schließlich verbrachte ich die Nacht in Seans Zimmer. Am nächsten Morgen öffnete sie die Tür, als ich klopfte. Ihre Augen waren derart verquollen, dass sie fast zu waren. Sie sah aus, als habe sie die ganze Nacht hindurch geweint.
»Was willst du?«, fragte sie.
»Ich will dir sagen, wie leid es mir tut. Wie dumm ich war. Ich hatte getrunken … Es war falsch. Ich liebe dich, Candace. Ich habe dich nie verletzen wollen.«
»Wie oft hast du sie getroffen?«
»Einmal. Nur das eine Mal. Ich war so betrunken. Ich weiß noch nicht mal ihren Namen.«
»Warum hast du es mir nicht erzählt?«
»Weil ich dir nicht wehtun wollte.«
»Nun, das hast du.«
Ich atmete langsam aus. »Ich wollte es dir sagen. Ich habe mich so schuldig gefühlt. Aber Sean hat es mir ausgeredet. Er sagte, dass es selbstsüchtig von mir sei zu versuchen, meine Schuldgefühle zu lindern, indem ich dir das Herz breche.«
Sie sah mich zweifelnd an. »Und du hast auf ihn gehört?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich weiß, es war dumm. Es tut mir wirklich leid. Ich weiß nicht, was ich sonst sagen soll. Ich flehe dich an: Bitte, gib mir noch eine Chance. Es wird nie wieder passieren, das verspreche ich.«
»Und warum sollte ich dir jetzt glauben?«
»Weil du weißt, dass ich dich liebe.« Ich sah sie voller Hoffnung an. »Und weil du mich liebst.«
Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
»Es tut mir so leid«, wiederholte ich.
Sie wischte sich über die Augen. »Ich weiß.« Dann sah sie mich an. »Keine Geheimnisse mehr.«
»Keine Geheimnisse mehr«, versicherte ich ihr.
»Wenn du das noch einmal tust, gebe ich dir keine Chance mehr.«
»Es wird nicht noch einmal passieren.«
Sie ließ mich wieder ins Zimmer. So viel zum romantischen Paris.
Einundzwanzigstes Kapitel
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