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Damals im Dezember

Damals im Dezember

Titel: Damals im Dezember Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Paul Evans
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gehört?«, fragte ich.
    »Ja«, sagte Candace. »Das ist bei denen Routine.«
    Es war ein weiterer lauter Schrei zu hören, dem ein noch lauteres Weinen folgte. Dann hörte ich, wie eine Tür zugeknallt wurde.
    »Ich glaube, soeben wurde die Routine durchbrochen«, meinte ich.
    »Siehst du mal nach ihr?«, fragte Candace.
    »Klar«, erwiderte ich, zog eine Jogginghose über und ging auf den Flur. Dort zog Lucy ihren Koffer zum Aufzug.
    »Hallo«, sagte ich.
    Sie drehte sich zu mir um. Ihre Augen waren verquollen und gerötet, und sie zitterte.
    »Wohin gehst du?«, fragte ich.
    »Überall hin, wo er nicht ist«, sagte sie.
    Ich ging zu ihr. »Willst du reden?«
    Sie wischte sich über die Augen und sagte dann: »Ja.«
    Ich nahm sie mit in unser Zimmer. Candace hatte sich einen Morgenrock übergezogen und umarmte Lucy, als sie hereinkam. »Tut mir leid, meine Süße«, sagte sie. »Aber du hast das schon öfter durchgemacht. Es wird sich schon noch alles klären.«
    »Nein, es wird sich nichts mehr klären«, widersprach sie. »Er hat mir gesagt, dass er mich nicht liebt. Er hat gesagt, dass ich ihm schon seit über einem Jahr gleichgültig bin. Er hat mich nur benutzt.«
    Ich strich ihr sanft über den Rücken. »Marshall ist ein Drecksack. Die einzige Person, die ihn interessiert, ist er selbst. Du bist besser dran ohne ihn.«
    »Nein, bin ich nicht«, entgegnete sie.
    »Irgendwann schon, glaub mir«, versicherte ich. »Vielleicht erscheint es dir jetzt nicht so, aber sobald du dich von ihm gelöst hast, wird es dir erheblich besser gehen.«
    Sie sah hoch, und ihr Blick wanderte zwischen uns hin und her. »Ich bin schwanger.«
    Einen Moment lang schwiegen Candace und ich. Dann meinte Candace: »Oh.«
    Darum ist ihr dauernd so übel, dachte ich.
    »Ich weiß nicht, was ich tun soll«, schluchzte Lucy.
    »Weiß er, dass du schwanger bist?«, fragte Candace.
    »Ich habe es ihm vorhin gesagt. Deswegen hat er angefangen rumzuschreien. Er hat behauptet, ich wäre schwanger geworden, um ihn in die Falle zu locken.« Lucy weinte wieder. »Er hat gesagt, er bezweifelt, dass es überhaupt sein Baby ist.« Sie senkte den Kopf. »Dann hat er zu mir gesagt, dass er mich nicht liebt.«
    Ich tätschelte ihr sanft die Hand. »Das tut mir wirklich leid. Er ist ein Idiot.«
    »Ich bin der Idiot«, schluchzte sie. »Wie habe ich nur so dumm sein können?«
    Candace überredete Lucy, erst mal bei uns zu bleiben. Ich legte für mich eine Decke auf das Sofa, und Lucy stieg zu Candace ins Bett, wobei ich mir nicht sicher bin, ob eine der Frauen schlafen konnte.
    Lucy stand ein paar Stunden später leise auf, duschte sich kurz und kam dann angezogen aus dem Badezimmer. »Ich geh jetzt besser«, sagte sie.
    »Warum bleibst du nicht einfach noch ein paar Tage bei uns?«, fragte Candace.
    »Nein«, lehnte sie mit angespannter Stimme ab. »Ich kann nicht in seiner Nähe sein.«
    »Wohin gehst du?«
    »Nach Hause. Ich werde nach Hause gehen.«
    »Wie wirst du zurück in die Staaten kommen?«, fragte ich.
    »Ich weiß es noch nicht genau. Ich habe meine Tante gebeten, mir etwas Geld zu schicken.«
    Ich nahm meine Brieftasche und zog zehn 100-Euro-Scheine daraus hervor. »Damit kommst du nach Hause.«
    Sie sah mich dankbar an, beugte sich vor und küsste mich auf die Wange. »Danke. Danke, dass du so gut zu mir gewesen bist. Ich wünschte, ich hätte, was du und Candace habt.«
    Ich begleitete sie nach unten in die Lobby und half ihr, ein Taxi zu bekommen. Als ich in unser Zimmer zurückkam, fragte Candace:
    »Glaubst du, dass sie es packt?«
    »Fürs Erste ja.«
    »Ich hasse Marshall.«
    »Ich weiß. Wie kann man nur so kalt sein?«
***
    Später, am Nachmittag, Candace, Sean und ich aßen gerade im Hotelrestaurant zu Mittag, kam Marshall herein. Er wirkte gut gelaunt.
    »Hallo Leute«, meinte er flapsig. »Was geht denn so ab?«
    »Lucy ist nach Hause geflogen«, sagte ich.
    »Ja, das hab ich mir schon gedacht.« Er setzte sich an den Tisch und sah in die Speisekarte. »Also, was ist gut?«
    Candace und ich blickten ihn ungläubig an. »Das berührt dich nicht weiter?«, fragte Candace.
    Er sah nicht von der Speisekarte auf. »Warum sollte es das? Sie ist nicht mein Problem.«
    »Sie ist schwanger«, sagte Candace.
    »Tja, sie hätte eben besser verhüten sollen.«
    »Na toll«, erwiderte Candace. »Nach all der gemeinsamen Zeit wirfst du sie weg wie Müll.«
    Ich sah zu Sean hin, den das Gespräch eher zu amüsieren als zu irritieren schien.

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