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Damals im Dezember

Damals im Dezember

Titel: Damals im Dezember Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Paul Evans
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verletzen können.«
    »Ich bin auch froh, dass ich hier war«, sagte ich. »Haben Sie vielleicht eine Advil oder Tylenol?«
    »Wir haben alle handelsüblichen Schmerzmittel da.« Sie sah plötzlich besorgt aus. »Hat Mr Brown Sie erwischt?«
    »Nein, ich bin vergangene Nacht gestürzt.«
    »Ich hol Ihnen was.« Sie ging weg und kam einen Moment später mit einem kleinen Plastikbecher, in dem eine einzelne Tablette lag, sowie einem Becher mit Wasser zurück. »Achthundert Milligramm Tylenol. Ich kann Ihnen etwas Stärkeres holen, wenn der Arzt hier ist.«
    »Danke.«
    »Gern geschehen«, meinte sie. »Ich muss mich jetzt um die Bewohner kümmern. Sie arbeiten in der Spätschicht, ja?«
    »Das hat Carlos so gesagt.«
    »Ich hoffe, es klappt«, sagte sie. Dann kehrte sie an ihre Arbeit zurück.
***
    Etwa eine Stunde später ging ich nach unten in den Speisesaal, um ein wenig zu frühstücken. Als ich mich an einen Tisch setzte, watschelte ein alter Mann auf mich zu. Er hatte dunkle Augen und zeigte ein Stirnrunzeln, das in sein faltiges Gesicht hineingeschnitzt zu sein schien. Sein graues Haar stand hörnerartig zu beiden Seiten hoch. Er erinnerte an eine verwirrte Ausgabe von Bozo dem Clown.
    »Was machen Sie hier?«, wollte er wissen.
    »Ein wenig frühstücken«, antwortete ich.
    »Wer sind Sie?«
    Instinktiv streckte ich die Hand aus. »Ich bin Luke.«
    Er zeigte keine Neigung, meine Hand zu ergreifen. »Ich kenne keinen Luke. Raus hier. Hören Sie auf, uns das Essen wegzuessen.«
    »Ich arbeite hier.«
    »Ich habe Sie noch nie gesehen. Sie sind ein schmarotzender Essensschnorrer. Machen Sie, dass Sie hier rauskommen, bevor ich Sie rauswerfe.«
    Ich sah ihn nur an. Obwohl er lediglich halb so groß war wie ich, traute ich ihm durchaus zu, dass er zumindest versuchte, seine Drohung in die Tat umzusetzen. Ich wusste nicht recht, was ich tun sollte. Einen der Bewohner zu Boden zu ringen war vermutlich nicht der beste Weg, meinen ersten Arbeitstag zu beginnen.
    »Lassen Sie mich doch einfach in Ruhe essen«, sagte ich.
    »Ich warne Sie«, entgegnete er und hob seine schwache Faust. »Wumm.«
    Während ich noch über meine Möglichkeiten nachdachte, trat ein anderer Bewohner, ein großer Mann mit weißem Bart, der einen Rollator vor sich her schob, an meinen Tisch. Er sah aus wie der Weihnachtsmann.
    »Beruhige dich, Harold. Er arbeitet hier.«
    »Du weißt nichts, du Auswurf des Nordpols. Er sieht wie ein Halunke aus. Sieh dir seine lauernden Augen an. Wenn wir schlafen, plündert der uns bis aufs Hemd aus.«
    Der Weihnachtsmann zwinkerte mir zu. »Nein, nein. Er ist in Ordnung. Er arbeitet hier.«
    »Du weißt nichts.«
    »Ich weiß, dass gleich die Käseplunder weg sind.«
    »Was?« Harold drehte sich nach den Küchenfenstern um und watschelte dann zu ihnen hin.
    »Geschickter Schachzug«, meinte ich.
    »Ich kenn ein paar Tricks«, sagte der Mann und reichte mir die Hand. »Ich heiße David, aber alle hier nennen mich Nick.«
    Ich neigte meinen Kopf zur Seite. »Nick?«
    »Weil ich wie der Nikolaus aussehe.«
    Ich grinste. »Danke, dass Sie sich eingeschaltet haben.«
    »Harold ist ein wenig derb mit den Neulingen. Aber er ist kein schlechter Kerl, wenn man ihn erst einmal kennt. Bloß ein bisschen grantig.«
    »Das hab ich gar nicht bemerkt«, sagte ich.
    Er lachte aus ganzem Herzen, ein Weihnachtsmannlachen, und tätschelte mir die Schulter. »Ich hoffe, dass es Ihnen hier gefällt.« Dann ging er langsam fort.
    Eine der Bedienungen kam zu mir, eine Vietnamesin mit Haarnetz. »Hi. Was darf ich Ihnen bringen?«
    »Bringen Sie mir einfach alles«, sagte ich.
    »Alles«, wiederholte sie. »Wie hätten Sie’s denn gern?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Normal, weich oder püriert.«
    »Normal bitte.«
    »Normal«, wiederholte sie und ging.
    Das Frühstück erschien mir wie ein Festessen. Mürbeteigbrötchen mit Würstchen in Bechamelsauce, Orangensaft, Toast mit Butter, Rührei und Schinken. Ich aß meinen Teller leer und ging zur Küche, um Nachschlag zu holen. Als ich fertig mit Essen war, ging ich zum Schwesternzimmer, wo ich auf Tammy traf. Sie sah die Patientendateien durch.
    »Ich bin gerade einem Ihrer Bewohner begegnet«, sagte ich. »Er mag mich nicht.«
    »Lassen Sie mich raten – Harold.«
    »Wie sind Sie denn darauf gekommen?«
    »Harold Mantilla. Die meisten unserer Bewohner nennen ihn den Hunnen. Er ist ein wenig mürrisch. Ich halte lieber Abstand. So ist es leichter.«
    »Danke für die

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