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Damals im Dezember

Damals im Dezember

Titel: Damals im Dezember Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Paul Evans
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die Wharton gegangen ist und Mitglied im Golfclub des Camelback Inn war, einen hässlichen Transporter stehlen würde.«
    Ich grinste. »Vermutlich nicht.«
    Er musterte mich einen Moment lang und fragte dann: »Wann hast du das letzte Mal gearbeitet?«
    »Nicht mehr, seit ich die Business School beendet habe. Aber davor habe ich seit meinem zwölften Lebensjahr gearbeitet. Mein Vater hat mir beigebracht zu arbeiten. Für ihn war harte Arbeit das elfte Gebot.«
    »Vielleicht können wir uns gegenseitig helfen«, meinte Carlos. »In der vergangenen Woche sind vier unserer Mitarbeiter vorzeitig gegangen; zwei von ihnen wurden abgeschoben. Darum sind wir stärker eingespannt als ein einarmiger Black-Jack-Croupier. Und heute hat eine meiner examinierten Pflegerinnen mit Kündigung gedroht, wenn sie nicht schnell Hilfe bekommt.« Er sah mich an. »Verstehst du, was ich damit sagen will?«
    »Was stellst du dir vor?«
    »Wir haben neun leere Zimmer im Zentrum. Du kannst da schlafen und essen und musst als Gegenleistung nur so lange in der Spätschicht arbeiten, bis wir entsprechende Hilfskräfte gefunden haben.«
    Das Angebot von Essen und Unterkunft erfüllte mich mit Erleichterung. »Ich habe keine Erfahrung mit dieser Art von Arbeit«, sagte ich, »aber ich bin bereit, alles zu tun, was anfällt. Ich lerne schnell.«
    »Die Arbeit ist nicht kompliziert«, beruhigte mich Carlos. »Du wirst den Pflegekräften dabei helfen, die Bewohner mit Essen zu versorgen.«
    »Mit Essen zu versorgen?«, erkundigte ich mich. »Sie beispielsweise mit dem Löffel füttern?«
    »Manche von ihnen benötigen das. Aber die meisten von ihnen rollst du nur nach unten in den Speiseraum.«
    »Ich habe keinerlei Kleidung«, sagte ich, obwohl das offensichtlich war.
    »Ich werde dir ein paar Kittel geben. Sie werden dir schon passen.«
    »Kittel«, fragte ich, »solche, wie Ärzte sie tragen?«
    »Ja. Kleidung, ein sauberes Bett, drei heiße Mahlzeiten, eine warme Dusche, Seife, Shampoo, sogar Rasierer.«
    In meinem früheren Leben hätte das Angebot lächerlich geklungen, aber das hier war nicht mein früheres Leben, sondern meine neue Realität. Und das Angebot war erheblich besser, als in einem Betontunnel zu wohnen und den Abfall nach Essbarem durchwühlen zu müssen.
    »Klingt gut«, meinte ich.
    »Du hast nicht nach der Bezahlung gefragt.«
    »Ich dachte, das sei die Bezahlung.«
    »Nein, du wirst bezahlt. Aber es ist nicht viel. Der Mindestlohn.«
    »Mindestlohn«, sagte ich. »Ich mach’s.«

Achtundzwanzigstes Kapitel
    Ich habe heute eine Arbeit für 8,25 Dollar die Stunde bekommen. Ich hab’s nachgerechnet. Selbst wenn keine Steuern abgezogen werden würden, müsste ich 58.104 Stunden arbeiten, um den Betrag zu verdienen, den ich während meines einundvierzigtägigen Vergnügens verschleudert habe.
    Aus dem Tagebuch von Luke Crisp
    Das Golden Age Senior Care Center war ein kleines, heruntergekommenes Pflegeheim. Mein sofortiger Eindruck war, dass hierher diejenigen kamen, die sich nichts Besseres leisten konnten. Carlos fuhr den Transporter auf einen Parkplatz und schaltete den Motor aus.
    »Ich geh mal rein und hol dir eine Pflegeruniform. Welche Hosengröße hast du?«
    »Bundweite 33 Inch.«
    »Okay.« Er musterte mich. »Und oben XL. Ich bin gleich wieder da.«
    Nach einer Viertelstunde kam er mit einem Bündel Kleidungsstücken zurück, auf denen oben ein Paar weiße Pantoffel lagen. Er öffnete die Tür des Transporters. »Entschuldigung, dass es so lange gedauert hat. Ich hab dich nicht vergessen, aber wir hatten ein Problem mit einem der Bewohner.«
    »Macht nichts«, sagte ich. »Ich habe keine dringenden Termine.«
    Er legte die Kleidungsstücke neben mich auf den Fahrersitz. »Probier die mal an.«
    Ich hatte noch Schmerzen von den Schlägen, die ich hatte einstecken müssen, und so tat es ein wenig weh, als ich den rotblauen Kittel überzog. Die Hose schlotterte mir um die Taille. Ich hatte stärker abgenommen, als mir bewusst war. Doch ich war froh, wieder bekleidet zu sein.
    »Probier die Pantoffeln«, sagte er.
    Ich zog sie an. Sie waren ein wenig weit, aber ansonsten passten sie. »Sie sind prima«, sagte ich.
    »Ich habe noch andere Größen«, sagte er. »Komm mit rein.«
    Die Lobby des Pflegecenters war für Weihnachten mit einem künstlichen Baum geschmückt, an dem Lametta und Girlanden aus Folie hingen und Weihnachtslichter steckten. Ich fand es äußerst bedauerlich, dass der Baum nicht echt war, da ein

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