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Damals warst du still

Titel: Damals warst du still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa von Bernuth
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und mit ihr die gesamte MK 1 zu enttäuschen), aber danach würde er den Dienst quittieren, sich von Sandy scheiden lassen und den Rest seines Lebens darauf verwenden, seine Schwester Danae wieder zu einer glücklichen Frau zu machen. Er würde alles, alles tun, um sie wieder lachen zu sehen, und wenn der Preis darin bestehen sollte, sie nie wieder zu treffen, wäre er auch dazu bereit: Er würde nach Timbuktu gehen, um ja nicht in Versuchung zu kommen, sie anzurufen, zu sehen, zu küssen, zu...
    Er war stehen geblieben und weinte, seine Tränen vermischten sich mit dem Regen. Er hatte versucht, Sandy zu erreichen, aber sie hatte nicht abgehoben und den Anrufbeantworter ausgestellt (das tat sie manchmal, wenn sie ahnte, dass er lediglich anrief, um mitzuteilen, dass er sich verspätete). Er hatte es bei Janosch versucht, dort lief der AB. Und schließlich hatte er die Nummer seiner Eltern gewählt. Sein Vater hatte abgehoben, völlig verschlafen, und David hatte – aufgelegt. Er konnte nicht mit ihm sprechen, es war zu viel passiert. Er dachte an seine Eltern, seine zerrüttete Familie und zuletzt an Fabian, der die Dinge nicht hatte ruhen lassen wollen, sondern immer weitergebohrt hatte. Bis David die Wahrheit sozusagen bis zum Hals stand und ihm nichts anderes mehr übrig geblieben war, als sie zu auszusprechen. Langsam und stockend, Wort für Wort verließ sie den Tresor seines Gedächtnisses, und nun war sie in der Welt. Nun gab es Zeugen für das, was bislang seins und Danaes Geheimnis gewesen war. Sabine, Raschida, Hilmar, Helmut, Franziska, Volker würden es vielleicht anderen Leuten erzählen, warum auch nicht, und weil das so war, würde diese Geschichte David bis an sein Lebensende verfolgen. Man konnte ihn damit beleidigen, sogar erpressen. Er würde niemals frei sein davon, egal, was passierte.
    Hat es deine Schwester auch gewollt?
    Ich weiß nicht.
    Doch, David, das weißt du genau. Hat sie es gewollt? Hat sie dich dazu gedrängt?
    Ich...
    Denn wenn sie das tat, David, war sie eine Hure, und du bist frei von aller Schuld. War es so?
    Nein!
    Nein?
    Ich wollte es. Sie nicht.
    Bist du sicher?
    Ich habe sie überredet. Sie...
    Ich verstehe, David.
    O ja, Fabian hatte verstanden: dass David nun ganz in seiner Hand war. Seelisch geschwächt, manipulierbar in jede denkbare Richtung.
    David blieb stehen: ein neuer Gedanke. Vielleicht ein Weg aus dem Teufelskreis seiner Verzweiflung. Mal angenommen, Fabian wusste aus irgendeinem Grund Bescheid über Davids Auftrag, und er hatte selbst etwas mit den Taten zu tun: War dann die Entwicklung der Dinge nicht geradezu ideal für ihn? Würde KHK Seiler oder irgendein anderer der MK 1 einem Kollegen glauben, der so sichtbar aus der Fassung war wie David? Spielte er Fabian auf diese Weise nicht perfekt in die Hände?
    Ich muss mich wieder einkriegen , dachte David. Langsam setzte er sich erneut in Bewegung, diesmal in Richtung der Straße, wo er vor Stunden sein Auto geparkt hatte und dann einfach drauflosgelaufen war. In ihm reifte ein Entschluss, und langsam beruhigte sich sein hektischer Atem.
    Er würde, dachte er, die Scharte wieder auswetzen. Morgen würde er Fabians Haus auf den Kopf stellen, ohne dass Fabian oder sonst jemand es merkte: Er würde Beute machen, sie KHK Seiler vor die Füße legen und auf diese Weise vergessen machen, was gewesen war, denn: Es gab Wahrheiten, glaubte David plötzlich zu erkennen, die so elementar waren, dass sie die Kraft hatten, andere Wahrheiten auszulöschen. Dann wurde unwesentlich, was noch vor Stunden wichtig schien. Ein leichtes Lächeln stand auf Davids nassem Gesicht, als er sich auf die Suche nach seinem Wagen machte. Es sah ein wenig irr aus und so war es gut, dass er niemandem begegnete, bis er atemlos hinter dem Steuer saß und nach Hause fuhr.

29
    Donnerstag, 24. 7., 3.57 Uhr
    Mona schreckte hoch. Einen Moment lang fand sie sich nicht zurecht in diesem kleinen, muffig riechenden Zimmer. Sie hatte geträumt: von einer riesigen Schlange an Planwagen, die sich durch Schnee und Dreck kämpften, von erfrorenen Babys, die am Straßenrand lagen, weil man sie im eisigen Boden nicht begraben konnte.
    Was war damals passiert, und warum hatte Plessens Schwester darüber nicht reden wollen?
    Machte es Plessen verdächtig, dass er die Adoption verschwiegen hatte? Ein Mann brachte seinen einzigen Sohn nicht um. Aber seinen Stiefsohn?
    Mona stand auf und trat ans Fenster. Der Regen hatte aufgehört. Sie öffnete das Fenster,

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