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Damals warst du still

Titel: Damals warst du still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa von Bernuth
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Aufprall einen Ausfallschritt zur Seite machte, knickte sein linker Fuß um, und ein spitzer Schmerz durchzuckte seinen Knöchel wie ein Stromschlag. Er spürte, ohne hinzufassen, dass die Region drumherum in Sekundenschnelle anschwoll. Er fluchte, und Tränen traten ihm in die Augen. Langsam ließ er sich auf den Waldboden gleiten und ruhte sich etwas aus. Er betastete seinen Knöchel, der tatsächlich fühlbar dicker geworden war. Stöhnend erhob er sich aufs Neue und machte sich mit dem Gedanken Mut, dass sein Wagen nur etwa hundert Meter entfernt stand, gut versteckt zwischen zwei Büschen.
    Im Schneckentempo humpelte er durch die Nacht, stolperte ein ums andere Mal über spitzes Unterholz, immer eine Hand an der rauen Außenmauer des Anwesens, um sich nicht zu verlaufen. Sobald er nahe genug am Tor war, würde er einen Haken durch den Wald schlagen, an den beiden Streifenwagen vorbei, hin zu seinem Auto. So weit der Plan. Sein eigenes Keuchen klang ihm laut in den Ohren, als er sich Schritt für Schritt vorantastete. Schließlich erreichte er das Ende des Grundstücks. Seine Hand glitt von der Mauer. Er sah aus etwa dreißig Metern Entfernung die beiden Streifenwagen vor dem Tor stehen und überlegte sich gerade, welchen Weg er nehmen sollte, um nicht gesehen zu werden, als ihm etwas auffiel.
    Instinktiv ging er in die Knie, was sein Knöchel umgehend mit einer neuen Schmerzattacke bestrafte. Er zog zischend die Luft durch die Zähne, und erneut kamen ihm Tränen, die er sich zornig aus den Augenwinkeln wischte. Er sah noch einmal genauer hin. Mit dem Polizisten im ersten Wagen schien etwas nicht zu stimmen. Er saß vollkommen reglos da, seine Haltung wirkte steif und sein Kopf unnatürlich verdreht. David dachte nach. Vielleicht irrte er sich. Viel mehr als der Schattenriss des Fahrers war von seiner Position aus nicht sichtbar. Wenn David nun nach dem Rechten sah und mit dem Mann doch alles in Ordnung war, würde er sich in Teufels Küche bringen. Unentschlossen blieb er stehen, voller Sehnsucht nach seinem Auto, voller Unlust, sich mit weiteren Problemen abzugeben. Er spitzte die Ohren, doch bis auf die natürlichen Geräusche des Waldes war nichts zu hören. In der Ferne schrie ein Tier, ein anderes schien zu antworten. Von weit her ertönte Hundegebell, das in ein lang gezogenes Jaulen überging. Die Nacht wurde kalt und kälter, David fröstelte in seinen verdreckten Klamotten.
    Auf der Erde suchte er nach etwas, das er werfen konnte, am besten einen kleinen Stein. Er fand keinen Stein, aber immerhin ein stabiles Aststück, etwa vier Zentimeter dick. Das war besser als nichts. David warf es in Richtung des vorderen Wagens und traf den Kotflügel. Es gab einen relativ lauten Knall, als das Holzstück abprallte. David duckte sich rasch, aber es passierte nichts. Der Polizist saß weiterhin regungslos am Steuer, obwohl er dieses Geräusch gehört haben musste. Auch der Polizist im zweiten Wagen, den David von seiner Position aus nicht sehen konnte, reagierte offenbar nicht. Jedenfalls war nichts zu hören. David lief es kalt den Rücken herunter, er vergaß den Schmerz in seinem Knöchel und richtete sich auf. Langsam ging er auf die beiden Wagen zu. Nichts regte sich, selbst der Wald schien für Sekunden den Atem anzuhalten.
    Der Schupo im ersten Wagen war entweder eingeschlafen oder... David wagte nicht, weiterzudenken. Er trat an die Fahrertür und sah durch das offene Fenster ins unnatürlich weiße Gesicht des Mannes. Die Augen waren halb geöffnet und sahen nirgendwohin. Der Mann schlief nicht, er war tot. Seine Mütze lag auf seinem Schoß, sein Hinterkopf war verschmiert, sein Hemd voller schwärzlicher Spritzer. David hörte ein leises, kaum wahrnehmbares Stöhnen und schreckte hoch. Das Stöhnen kam nicht aus diesem Wagen, sondern aus dem zweiten. Hastig lief er an der Motorhaube vorbei dorthin. Der Polizist im zweiten Wagen war über dem Lenkrad zusammengesunken. Sein Hinterkopf schien zu bluten. David legte ihm gerade die Hand auf die Schulter, als er spürte, dass jemand hinter ihm war. Eine Zehntelsekunde zu spät wollte er sich umdrehen, als er selber einen Schlag auf den Kopf bekam, der ihn sofort in die Knie gehen ließ. Instinktiv hielt er sich an dem Fensterrahmen fest und versuchte dem zweiten Schlag auszuweichen. Er hörte eine Frauenstimme, die leise »Scheiße« rief. Der zweite Schlag donnerte auf das Autodach, dicht neben ihm. David fuhr herum, sein Kopf war schwer wie eine

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