Damals warst du still
Naturgesetz. Wir haben die Balance wiederhergestellt, die Dinge fügen sich der neuen Ordnung. Du kannst ganz sicher sein.«
»Ja.«
»Und nun lasst uns mittagessen. Danach ist Volker an der Reihe. Ist das okay, Volker?«
»Ja, toll.« Volker strahlte. Er hatte dicke Lippen, kleine helle Augen und zipflige blonde Haare mit angegrauten Strähnen, die etwas zu lang waren für sein Alter, er war etwa Anfang fünfzig.
»Gut. Roswitha, meine Frau, hat uns etwas zu essen gemacht. Wir setzen uns raus, auf die Terasse.«
David dachte, dass es seltsam wirken würde, wenn er jetzt jemanden nach dem Zweck dieser Übung fragte Vielleicht würde er es heute Nachmittag verstehen. Er ging hinter den anderen her, ratlos.
11
Dienstag, 22. 7., 12.10 Uhr
Zur selben Zeit säbelte Mona lustlos an einem zähen Stück Fleisch herum, das ihr Berghammers Sekretärin Lucia in dessen Büro gebracht hatte. Berghammer aß einen Wurstsalat, der viel besser aussah als Monas Kotelett, und Clemens Kern trank nur Apfelsaft. Die Hitze drückte gegen die staubigen Fenster, die heute geschlossen bleiben mussten, weil im Innenhof abwechselnd eine Betonmischmaschine und ein Presslufthammer lärmten. Mona hielt die Augen gesenkt, während sie versuchte, ihren Bissen herunterzukriegen. Sie wusste, dass Berghammer gute Neuigkeiten im Fall Samuel Plessen und Sonja Martinez erwartete, aber es gab keine Neuigkeiten – keine guten, keine schlechten. Dienstag, der 22. Juli. Am nächsten Tag würde es eine Woche her sein, dass sie Sonja Martinez’ Leiche gefunden hatten. Die Spuren wurden langsam kälter, und noch immer wussten sie nicht mehr als vor einer Woche.
»Mona«, sagte Berghammer und verstummte. Der letzte Bissen der fleischfarbenen Wurst war in seinem Mund verschwunden; er kaute noch auf einem Käseeckchen herum, aber danach, gab er Mona mit seinen Blicken zu verstehen, musste Tacheles geredet werden. Mona konzentrierte sich auf die Pommes Frites.
Aber es half alles nichts.
»Mona«, wiederholte Berghammer. Mona sah auf, gezwungenermaßen.
»Ich hätte ganz gern einen Zwischenbericht«, sagte Berghammer, betupfte seinen Schnurrbart mit einer Serviette und schob seinen Teller, in dem ein Haufen roher Zwiebelringe in einer wässrig aussehenden Marinade ertranken, zur Ecke seines Schreibtisches. Mona ließ ihre Gabel sinken und beschloss, zur Offensive überzugehen.
»Ich weiß, dass du gleich eine PK hast und den Medien was erzählen willst«, sagte sie. »Aber es nützt alles nichts, wir sind bisher nicht weitergekommen. Totaler Leerlauf im Moment. Tut mir Leid, aber so schaut’s aus«, fügte sie hinzu.
Berghammer schwieg ein paar Sekunden.
»Was ist mit Marquard? Seinen Ermittlungen bei der Sitte?«
»Nichts«, sagte Mona. »Im Moment scheinen keine perversen Freier unterwegs zu sein. Aber er bleibt dran.«
»So«, sagte Berghammer. Langsam schien sich sein Körper an die konstante Hitze zu gewöhnen; er schwitzte weniger, und sein Gesicht war auch nicht mehr ganz so rot. »Hilft nichts«, fuhr er fort. Und dann an Kern gewandt: »Wie ist die Lage bei euch?« Kern sah ihn an mit seinem ernsten Gesicht, das Mona manchmal zum Lachen reizte. Er war so absolut sachlich, seriös und geradeheraus, als machte er immer alles richtig. »Uns fehlen Informationen«, sagte er. »DNS-Spuren und so weiter, es ist einfach nichts da, wo wir ansetzen können. Wir haben ein Täterprofil, aber ein Täterprofil reicht nicht, wenn wir keine vergleichbaren Taten finden.«
»Du hast gesagt, er fängt erst an.«
»Das ist eine Annahme, Martin, das weißt du genau. Ich denke, er steht am Anfang, aber er könnte auch schon Vergewaltigungen begangen haben. Du weißt, dass ViCLAS bislang nicht einmal die ganze Republik erfasst. Kanada ja, USA ja, aber nicht Brandenburg oder Berlin. Zum Beispiel.«
»Das wird ja angestrebt«, sagte Berghammer.
»Gut, aber bis dahin können wir eben nicht so viel tun, wie wir gerne wollen. Wir haben uns mit allen Dienststellen in Verbindung gesetzt und unsere Parameter weitergegeben, und die gucken jetzt mal in ihren eigenen Fahndungscomputern nach. Die LKAs, das BKA...«
»Das ist doch schon was«, sagte Berghammer. Aber Kern schüttelte den Kopf mit gerunzelter Stirn. »Das ist noch gar nichts, Martin. Wir können den Täter im Moment nicht lokalisieren, das ist schon mal das erste Problem. Er lebt zurzeit sicher hier in der Stadt, aber die Stadt ist groß und voller absonderlicher junger Männer. Wir können nicht jeden
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