Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick
und verwässert, gespielt. Es war ein Riesenerfolg, nur der Redakteur hatte es unter seinem Namen herausgegeben. Obwohl mehrere solcher Taten des Plagiators bekannt waren, war ich rechtlos. Dass viele Schüler und ein Lehrer von diesem Raub wussten, störte den mächtigen Redakteur nicht im Geringsten. Er hatte enge Beziehungen zum damaligen Militärregime und zu allen späteren Herrschern Syriens.
Ich aber lernte bald einen aufrichtigen und außergewöhnlichen Mann, einen Fliesenleger namens Amin Mardini kennen. Und weil er mir von Amado, Gorki und Camus vorschwärmte, wagte ich eines Abends, ihm meine Texte zu zeigen. Er lachte viel beim Lesen und kommentierte, lobte undkritisierte. Diesen einen Abend werde ich mein Leben lang nicht vergessen, weil er meine Überwindung der Hürde Schule einleitete. Er fragte mich, ich war gerade 16, warum ich meine Fähigkeiten nicht im Dienste unseres Volkes einsetzte. Er kenne viele Jugendliche, die gerne meine Texte lesen würden. Amin Mardini war Kommunist. Ein Jahr darauf war auch ich einer.
Von nun an schaffte ich das Doppelleben ab. Zu Hause schrieb ich engagierte Texte, die immer verständlicher wurden. Von Amin nämlich lernte ich: Je revolutionärer ein Text, umso verständlicher muss er sein. Ein heikler Grundsatz, der mir später Probleme machte. Ich aber rezitierte in der Schule nicht mehr, schrieb, wie es mir gefiel, und kassierte durchschnittliche Noten. Meine Schulaufsätze waren nicht besonders gut, weil ich bei jedem Thema nach drei Zeilen das Wort Kampf einflechten musste. Ich lebte nur noch mit diesem Vokabular.
Anfang der sechziger Jahre rollte die Befreiungsbewegung von Lateinamerika bis Afrika über die Erde und durch die Köpfe. Und nun passierte das, was ich nicht einmal im Traum erwartet hatte. Die Kraft, die mich von der Schule befreit hatte, wurde mir zum Verhängnis und zur dritten Hürde:
Die Partei
Der sympathische, witzige und belesene Amin Mardini betreute mich nur eine kurze Weile, danach ging ich durch die verschiedenen Parteizellen im Untergrund. In dieser Zeit kreierte ich mir den Namen Rafik Schami , eine Erfindung, die aus der Notwendigkeit des Untergrunds entstand und mich bis zu dieser Stunde begleitet. Rafik bedeutet Freund, Genosse oderKamerad, und Schami heißt Damaszener. Der Name wurde mir in gewisser Hinsicht vertrauter als mein bürgerlicher Name, Suheil Fadél, der etwa bedeutet: der tugendhafte Morgenstern. Der Morgenstern war nicht übel, weil er in der arabischen Dichtung oft gelobt wird, aber tugendhaft wollte ich nie sein, aber das ist eine andere Geschichte.
Doch bald kam es zur Konfrontation mit der kommunistischen Partei. Ich hatte einen nach allen Utopien fiebernden Kopf und eine unstillbare Sehnsucht nach dem Schreiben.
Und ich glaubte, dass nur das engagierte Wort, das aufrichtig und furchtlos ausgesprochen wird, Arabien aus seinem Tiefschlaf retten könne. Und an diesem Glauben hat sich bis heute nichts geändert.
Mit zwei anderen Jungkommunisten gründete ich eine kommunistische Jugendzeitschrift. Wir hatten nämlich die Nase voll von der Langweile des Parteiorgans Kampf des Volkes . Mit mir heute unverständlicher Naivität und einem unerschütterlichen Glauben an die Aufrichtigkeit der Partei konzipierte ich mit meinen zwei Freunden eine freche, lebendige und aufklärerische Jugendzeitschrift von acht Seiten. Wir reichten das Heft bei der Lokalführung von Damaskus ein, nicht ahnend, dass diese zittrigen Blätter das Zentralkomitee erschüttern würden.
Die Parteiführung tobte und schickte innerhalb einer Woche ein Mitglied des Zentralkomitees zu mir, um die Redaktion vor den Folgen einer solchen Anarchie zu warnen. Wir drei ausgemergelten Neunzehnjährigen zitterten, bis der mächtige Genosse sprach, da verschwand unsere Angst. Über seiner Krawattenbinde schaute uns ein Dummkopf entgegen.
»Zu viel über Sexualität«, sagte er.
»Zu wenig«, antworteten wir. Er erblasste.
»Rücksichtslos gegen die Religion«, sagte er.
Wir fragten ihn, ob er als Vertretung von Kirche und Moschee oder der KP-Führung gekommen sei.
»Der Literaturteil«, sagte er, »ist zu elitär.« Wir staunten, denn es waren einfache, kurze Geschichten von uns. Hier stritten wir bitter, bis Rasuk, einer von uns, ihm ins Gesicht schrie: »Einfacher, einfacher. Alles soll so einfach sein, dass sogar die Esel es verstehen können, ja, hat die Partei nur noch Esel als Leser?«
Das war es! Der Genosse unterbrach abrupt die
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