Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick

Titel: Damaskus im Herzen.. - und Deutschland im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
Vom Netzwerk:
Debatte, erteilte uns ein Verbot der Zeitschrift im Namen des ZK, stand auf und ging.
    Dies war die tiefste Wunde, die ich bis dahin in der Partei erlebt hatte. Im selben Jahr trat ich einer oppositionellen Gruppe innerhalb der Partei bei, und Jahre später bildete diese Opposition eine alternative KP, und ich musste bald erkennen, dass diese neue Partei schnell zu den gewohnten Intrigen und Machenschaften zurückkehrte, mit denen sie aufgewachsen war. Mein späterer Austritt war eine bittere Notwendigkeit.
    Aber diese kleine Zeitschrift, die nie das Licht sehen durfte, war der Vorläufer der Wandzeitung Al Muntalak , die ich außerhalb der Partei 1966 gegründet und bis zu ihrem Verbot 1969 geleitet habe.
    Mit dieser Zeitung lernte ich zum ersten Mal die professionelle Arbeit in einer Redaktion kennen. Zweimal im Monat gaben wir diese literarische, politische, satirische Zeitung heraus. Sie wurde in einem schönen Holzrahmen hinter einer Glasscheibe in unserer Gasse ausgehängt und nachts von einer Neonlampe beleuchtet. Sie war etwa 2 X 1,5 Meter und hing so, dass Erwachsene oben und Kinder unten lesen konnten. Die Zeitung wurde vielleicht nur von ein paar hundert Bewohnern der Gasse und Passanten gelesen, aber wir feierten jede Geburt einer Nummer erschöpft und glücklich.
    Die Leute in der Gasse lachten und stritten mit und über uns. Die Zeit war bewegt und bewegend. In dieser Zeit stieg die PLO von einer unbedeutenden Randgruppe zum wichtigsten politischen Faktor in Arabien auf. Die Amerikaner steigerten ihren mörderischen Krieg gegen Vietnam. Die Revolte der unterdrückten Schwarzen, Frauen und Studenten und die Befreiungsbewegungen in der so genannten Dritten Welt erschütterten das Bewusstsein der Menschen. Im Sommer 1967 griff Israel die Araber an und zerstörte ihre Armeen innerhalb weniger Tage.
    Angesichts der Weltlage und der Niederlage gegenüber Israel erlaubten die arabischen Regime etwas mehr Freiheit, so lange, bis sie die Spuren der Niederlage von ihrem Ansehen beseitigt oder vertuscht hatten. Aber nach zwei Jahren, etwa im Spätsommer 1969, bekamen wir in der Redaktion die erste Warnung.
    Ich hatte nun die vierte Hürde vor mir:
     
    Die Zensur
     
    Kurz und mit fast englischer Höflichkeit verbot mir ein junger Beamter die weitere Herausgabe der Wandzeitung.
    Dieser Albtraum bleibt für immer in meiner Erinnerung. Damaskus ist im Herbst eine Perle. Ich lief damals weinend und verzweifelt durch die Stadt. Vielleicht ahnte ich schon, was alles noch kommen sollte. Denn Worte rauben und verbieten heißt nichts anderes als entwurzeln, und je mehr das geschieht, desto lockerer wird die Bindung des Menschenbaumes an seine Heimat, entweder er geht ein oder wandert aus, um seine Wurzeln in frische Erde zu schlagen. Der fliegende Baum in meinem Buch tut nichts anderes. Ich habe also meineSeele durch die Flucht gerettet, aber ich möchte nicht behaupten, dass alle, die im Land blieben, schlechte Schriftsteller wurden. Das ist eine typische Arroganz von Emigranten gegenüber daheim gebliebenen Schriftstellern. Diese Überheblichkeit kennt keine Nuancen. Sie heiligt und verdammt absolut. Der Ort, an dem ein Autor lebt, ist weder ein Bonus noch ein Indiz seiner Schuld. Es zählt nur das, was er schreibt. Und unter Emigranten und Exilautoren gibt es prozentual genauso viele Dummköpfe wie in der Ursprungsheimat.
    In jenem Herbst wusste ich also, dass ich wegrennen und bald meine geliebte Stadt Damaskus verlassen musste, um nicht an meinen verbotenen und entrechteten Worten zu ersticken, und heute bin ich sicher, diese Flucht hat mich gerettet.
    Doch damals wusste ich nicht, was auf mich wartete. Ich sah einen Ausgang und rannte, nicht ahnend, dass dies gleichzeitig der Eingang zu einem Labyrinth voller Hürden war:
     
    Das Exil
     
    Exil trägt in sich zugleich Tod und Neugeburt. Und beide Pol-Enden des Lebens sind ihrer Einmaligkeit wegen nicht erlernbar. So auch das Exil, ein Chaos der höchst geordneten Gänge, in denen andere Hürden auf mich lauern, die im Gegensatz zu denen, die ich in meiner Heimat überwunden hatte, sich mehrmals und immer wieder vor mir auftürmen können.
    Die erste Hürde, die sich mir im meinem Labyrinth entgegenstellte, war die Hürde der Sprache . Doch darüber habe ichbereits ein ganzes Buch * geschrieben, und nicht nur deshalb verschone ich Sie hier mit weiteren Ausführungen, denn Sie wissen inzwischen, dass ich mich, wenn ich das Leben liebe, nicht wiederholen darf.
    Das

Weitere Kostenlose Bücher