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Damenschneider

Damenschneider

Titel: Damenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Schöttle
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immer zu McDonald’s . Sonst gibt’s hier nur ein paar Pizzerias und einen Chinesen. Wenn Sie mit dem Auto da sind, gibt es stadtauswärts auf der linken Seite noch ein Kaffeehaus.«
    Rasch wandte er sich wieder seinem Buch zu.
    »Das scheint ja sehr spannend zu sein, was Sie da lesen«, warf nun Vogel interessiert ein.
    Erstaunt blickten ihn Walz und der Portier an, wenn auch aus unterschiedlichen Beweggründen.
    »Seit wann interessiert man sich bei der Polizei für Literatur?«
    »Soziologische Grundlagenforschung, für die höheren Ränge«, antwortete Vogel mit ernster Miene.
    Zur Besorgnis von Walz war sein Kollege offensichtlich gerade im Begriff, zu seiner gefürchteten Hochform aufzulaufen.
    Auch der Portier war sich nicht ganz sicher, wie weit er den englisch gekleideten Inspektor ernst nehmen konnte. Um jeglichem Ärger aus dem Weg zu gehen, schließlich war sein Gegenüber ein Hüter des Gesetzes, beschloss er, auf seine Ausführungen einzugehen.
    »Dieses Buch«, liebevoll betrachtete er den blauen Einband, »beschäftigt sich mit der Poetik des Schreibhandwerks bei Heimito von Doderer. Sehr interessant und auch gut geschrieben, was man nicht von jedem philologischen Werk behaupten kann. Es wäre bestimmt nützlich, wenn dieses Buch als Pflichtlektüre für die niederen Ränge bei der Polizei eingeführt würde. Damit würden deren Berichte in Zukunft vielleicht mit etwas mehr stilistischer Sorgfalt verfasst. Ich bin davon überzeugt, dass eine solche Maßnahme dazu geeignet wäre, den Ruf Österreichs als Kulturnation zu untermauern.«
    Kein Zweifel, der Mann hatte Humor.
    »Ich werde diesen interessanten Vorschlag selbstverständlich sofort dem Herrn Polizeipräsidenten vorbringen«, erwiderte Vogel schmunzelnd, »der freut sich doch immer so, wenn die Bevölkerung Verständnis für die Probleme der Exekutive aufbringt. Auf der linken Seite, haben Sie gesagt?«
    Freundlich winkend durchschritt er die Türe, mit Walz im Schlepptau, der einen bedeutsamen Blick mit dem Pförtner wechselte.
    »Ewig schad’ um den. Sitzt da den ganzen Tag als Portier herum und tut nichts anderes, als sich die Ausweise der Leute anzuschauen«, meinte Vogel, als sie zu ihrem alten Opelzurückkehrten.
    »Wenn du keine großen Bedürfnisse hast, ist das doch der ideale Beruf. Hat nichts zu tun und kann während seiner Arbeitszeit lesen, so viel er will.«
    »Dafür muss er bei McDonald’s seinen Kaffee trinken – also, das wär’s mir nicht wert …«, erwiderte Vogel, während er seine Pfeife aus der Jackentasche angelte. »Also, was machen wir jetzt? Fahren wir ins Ungewisse oder doch lieber in vertrautere Gefilde? Das ›Stein‹ läge fast auf der Strecke.«
    »Dann lass uns dorthin fahren. Von dem wissen wir wenigstens, dass der Kaffee trinkbar ist. Außerdem ist dort um diese Zeit noch nichts los, da können wir ein wenig plaudern.«
    »Ah, gibt es etwas Neues, was ich wissen müsste, o du mein Walz?«, fragte Vogel vergnügt, während er den Innenraum des Dienstfahrzeugs vorschriftswidrig mit dicken Rauchschwaden einnebelte, bevor er den Wagen in Richtung Innere Stadt lenkte.
    »Da du mir bislang noch nichts von der ersten Nacht mit deinem neuen Familienmitglied erzählt hast, kenne ich dich doch gut genug um festzustellen, dass du geradezu begierig darauf bist, mir davon zu berichten«, sagte Walz arglos.
    »Du brauchst gar nicht so unschuldig tun. Auch ich kenne dich gut genug, um zu erkennen, dass du mir dringend etwas mitzuteilen hast. Wenn ich dich so anschaue, geht meine Vermutung in die Richtung einer neuen Bekanntschaft.«
    Tatsächlich hatte Walzens Gesicht einen genießerischen Ausdruck angenommen.
    »Na ja. Ganz falsch liegst du dabei nicht. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es dich überhaupt interessieren sollte, wie ein Junggeselle seine freien Abende verbringt. Schließlich könnte es dich auf für deine Ehe nicht zuträgliche Ideen bringen.«
    »Gerade deshalb solltest du mir jedes Detail erzählen, damit ich erst zu schätzen weiß, was ich an meiner reizenden Gattin Martina habe …«, erwiderte Vogel.
    »Später dann, es gibt einfach Dinge, die man nur mit vollem Magen bereden kann … Außerdem weiß ich nicht recht, ob dein Zugang legitim ist. Nachdem du dich nun mit dem Kauf eines Hundes endgültig in den heiligen Familienstand zurückgezogen hast, sollte alles von dir fern gehalten werden, was diesen gefährden könnte.«

3. Kapitel (Dienstag)
     
    Die Ahnungen hatten Bezirksinspektor Walz

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