Damenschneider
zu.
»Aber komm nachher gleich wieder, Bojan. Es wird sicherlich nicht lange dauern, oder Herr Inspektor?«
»Nein, nein, wir haben nur ein paar Fragen an Herrn Reif und werden Sie dann gleich rufen, wenn wir fertig sind«, sagte Vogel lächelnd zu Bojan, der sich gerade zum Gehen anschickte.
Nachdem dieser leise die Türe geschlossen hatte, setzte Vogel eine ernstere Miene auf.
»Wir wissen lediglich, dass Sie am Sonntag der vorletzten Woche etwa um halb sieben Uhr morgens mit Ihrem Motorrad über den Lerchenfelder Gürtel gefahren sind … Was ist da genau passiert?«
»Ich bin mit vorschriftsmäßiger Geschwindigkeit bei völlig trockener Fahrbahn und ohne Fremdeinwirkung plötzlich ins Schleudern geraten. Ab dem Moment weiß ich nichts mehr«, seine Ausdrucksweise deutete darauf hin, dass er in dieser Sache schon mehrmals vernommen worden war.
»War irgendein Fahrzeug in der Nähe, das Sie behindert hat oder dessen Fahrer etwas gesehen haben könnte?«
»Nein, die Straße war fast menschenleer. Das Einzige, woran ich mich zu erinnern glaube, war ein Mann, der auf dem mittleren Grünstreifen stand. Gerade als ich mich gefragt habe, was der wohl um diese Zeit da macht, ist es passiert …«
»Und dieser Mann hat Ihnen nicht geholfen?«
»Das weiß ich nicht, ich glaube aber nicht. Vielleicht wollte er sich auch nicht schmutzig machen …«, hier lächelte Reif ein wenig gequält, »als ich aufgewacht bin, lag ich im Wagen der Rettung.«
»Haben Sie gesehen, was dieser Mann dort gemacht hat? Hat er vielleicht etwas in der Hand gehalten?«
»Oh, diese Frage ist neu! Zwar haben Ihre Kollegen auch gedacht, dass er was damit zu tun haben könnte, aber das haben sie nicht gefragt … Und was soll er Ihrer Meinung nach in der Hand gehabt haben? Einen Ölkanister vielleicht?«
»Möglicherweise. Aber wir glauben eher, dass es sich um einen Fotoapparat oder ein Handy gehandelt hat. Können Sie sich vielleicht noch daran erinnern, wie dieser Mann aussah? Oder ob er sich auffallend verhalten hat?«
»Wie er aussah – keine Ahnung. Mittelgroß und schlank, ganz normal halt, mehr konnte ich nicht erkennen. Auf jeden Fall hat er den Unfall gesehen, denn er hat gerade in meine Richtung geschaut, als es passiert ist. Ob er einen Fotoapparat in der Hand hatte, das weiß ich wirklich nicht. Eines kann ich Ihnen mit Sicherheit sagen, ein Stativ hat er dabei nicht benutzt«, antwortete Reif mit gequältem Lächeln. »Warum fragen Sie überhaupt? Ist ein Foto von dem Unfall aufgetaucht?«
»Ja, ein Bild Ihres Unglücks war in der U-Bahn-Zeitung abgebildet, als Leserfoto …«
»Als Leserfoto …«, wiederholte Andreas nachdenklich, um sogleich wieder heiter hinzuzufügen: »Werde ich jetzt berühmt?«
»Nein, das wahrscheinlich nicht,« antwortete Vogel lächelnd, »aber alles deutet darauf hin, dass dieser ominöse Mann wahrscheinlich das Öl auf die Straße geschüttet hat, um einen Unfall zu provozieren, von dem er dann ein Foto machen konnte. Deshalb wäre eine genaue Beschreibung ganz wichtig.«
Plötzlich schien Reif, der bislang mit einer den Kriminalisten unverständlichen Fröhlichkeit gesprochen hatte, ehrlich bestürzt zu sein.
»Mein Gott, wer macht denn so was? Sie meinen also im Ernst, ich habe meinen Fuß verloren, weil ein Mann ein Foto für eine Zeitung machen wollte?«
Ungläubig schüttelte Reif den Kopf.
»Wir können es zumindest nicht ausschließen, und das ist leider die einzige Spur, die wir in Ihrem Fall haben«, bedauernd hob Vogel seine Schultern. »Denken Sie bitte noch einmal darüber nach, ob Ihnen nicht doch etwas zu diesem Mann einfällt … Wir werden unsererseits natürlich auch nicht untätig bleiben und jeder Spur nachgehen. Falls wir etwas Neues haben, lassen wir es Sie selbstverständlich sofort wissen.«
Nachdem Vogel seine Karte auf den Nachttisch gelegt hatte, verabschiedeten sich die Inspektoren von dem Patienten, der noch immer fassungslos den Kopf schüttelte.
Als sie das Krankenzimmer verließen, mussten sie nicht lange nach Bojan suchen, der gerade aus dem Personalraum herauskam.
»Wir haben alles besprochen«, sagte Vogel zu ihm, »Sie können jetzt wieder zu Herrn Reif hinein. Er bedarf nun dringend der Aufmunterung. Allerdings hätte ich noch eine Frage an Sie, aus reiner Neugierde. Wie ist es eigentlich möglich, dass dieser junge Mann nach einem so schweren Unfall, bei dem er doch immerhin einen Unterschenkel eingebüßt hat, so fröhlich ist?«
»Ja, Herr
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