Damenschneider
Dame ihre Handtasche auf den Schoß und beugte sich Vogel entgegen.
»Jetzt stellen Sie sich das einmal vor«, sagte sie in einer Lautstärke, als würde sie ihm ein Geheimnis anvertrauen. »Ich geh’ mit meinem Hunderl äußerln und plötzlich macht es ein Geschäft. Eh nur ein kleines Hauferl. Leider hab’ ich kein Sackerl dabei g’habt, das hab’ ich sonst immer mit. Aber heut’ hab’ ich einmal eine andere Handtasche dabei, und in der war leider kein Sackerl drin. Daher hab’ ich’s nicht wegmachen können. Kommt doch so ein Kieberer, Sie entschuldigen schon, daher und sagt, das kostet 36 Euro. Und da frag’ ich ihn, wieso. Da hat er gesagt, das wäre eine neue Verordnung. Wegen so einem kleinen Trümmerl. Das war eh ganz im Eck, wo niemand hinkommt. Und da hab’ ich geantwortet, von einer solchen Verordnung hab ich noch nie was g’hört und bin weggegangen. Da hat der Polizist sich mir doch glatt in den Weg gestellt und wollte das Geld einfordern, 36 Euro, das sind über 500 Schilling! Und ich hab’ eh nur eine kleine Pension, als Witwe von einem Magistratsbeamten. Also, was soll ich Ihnen sagen, Herr Inspektor. Mein Hunderl war schon ganz nervös, das ist eh so ängstlich, und der Polizist stellt sich mir in den Weg. Da hat’s ihn a bisserl gezwickt, aber nur ganz wenig, so ein Pinscher hat ja eh kane Zähnt. Und da hat er nach meinem Hunderl getreten. Stellen Sie sich das einmal vor. Tritt nach meinem Pinki. Da bin ich halt rabiat geworden und hab ihm mit dem Schirm eine drüber gegeben. Das war doch Notwehr!«
Seufzend lehnte sich Vogel zurück.
»Verehrte Frau Novak, Notwehr gibt es in diesem Falle nicht, schließlich war es der Kollege, der sich zur Wehr setzen musste.«
Entschieden schüttelte die Beschuldigte den Kopf.
»Wegen einem kleinen Zwickerl gleich so ein herziges Viecherl treten, das geht doch net!«
»Da muss ich Ihnen leider widersprechen. Mein Kollege war völlig im Recht, auch die 36 Euro gehen in Ordnung. Ich weiß das genau, weil ich auch einen Hund hab’. Und ich hab immer ein Sackerl dabei. Gehen’s, zahlen’s die 36 Euro und ich werde einmal mit dem Kollegen reden, wie schwer Sie ihn verletzt haben. Vielleicht ist es nicht so schlimm und er lässt die Anzeige fallen. Aber versprechen kann ich’s Ihnen nicht. Wartens a bisserl vor der Tür. Ich werde versuchen, ihn zu erreichen.«
Schmollend sah sie ihn an.
»Na gut, zahl ich’s halt, auch wenn’s nur ein ganz kleines Würstel war. Aber recht ist das nicht, nach einem Hund zu treten …«
Sprach’s und verließ den Raum, während Vogel nach dem Hörer griff.
Wie sich bei dem Gespräch herausstellte, hatte die resolute Dame so sehr zugeschlagen, dass der Polizist neben einem Kratzer am Bein, der durch den Hundebiss verursacht worden war, auch eine Beule am Kopf davongetragen hatte. Dank einiger beschwichtigender Worte Vogels ließ der Polizist schließlich die Anzeige fallen.
Als er Frau Novak die erfreuliche Nachricht mitgeteilt hatte, fühlte sich Vogel erheblich besser. Gerade als er lustvoll daran ging, seine bislang versäumte Morgenpfeife zu stopfen, stürzte Walz herein.
»Du wirst es nicht glauben, die Rettung wurde von einem Handy aus angerufen. Und da sich kein anderer Zeuge am Unfallort befunden hat, könnte es tatsächlich unser von Reue getriebener Fotokünstler gewesen sein. Zumal der Anrufer seinen Namen nicht nennen wollte, und auch seine Nummer am Display unterdrückt hat …«
»Siehst du, die Welt ist doch nicht ganz schlecht. Leider wird solches Gutmenschentum nicht immer belohnt. Wann bekommen wir die Nummer?«
»Wenn es kein Wertkartenhandy war, noch heute.«
»Und wenn es doch eins war?«
»Dann hat sich die gute Tat ausgezahlt und wir haben Pech gehabt.«
Ihr Gespräch wurde durch das Läuten des Telefons unterbrochen.
Am Apparat war Jessica Obermüller, die Freundin von Andreas Reif.
»Entschuldigen Sie bitte die Störung, Herr Inspektor«, begann sie etwas umständlich. »Ich hab’ Ihre Visitenkarte auf Andreas’ Nachtkastl gefunden, deshalb ruf’ ich Sie gerade an. Ich weiß mir nämlich nicht anders zu helfen. Sie sind doch Bezirksinspektor Vogel?«
»Ja, der bin ich«, antwortete Vogel und drückte auf den Lautsprecherknopf, damit auch Walz dem Gespräch folgen konnte. »Ist Ihrem Freund vielleicht noch etwas eingefallen?«
»Ich glaube nicht«, stotterte sie, »ich meine, ich weiß es nicht.«
»Womit kann ich Ihnen also helfen?«, fragte Vogel
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