Damenschneider
bakterielles Gift von toxin-produzierenden Staphylokokkus aureus-Stämmen. Schon geringe Mengen sind, oral aufgenommen, von spürbarer Wirkung, um aber den Tod herbeizuführen, braucht man schon eine ganz ordentliche Dosis. Bei einer Infizierung über die Atemwege benötigt man sogar noch mehr. Die prämortalen Ausscheidungen über Mund und Darm, von denen ich noch Spuren gefunden habe, deuten in diesem Falle darauf hin, dass es mit ziemlicher Sicherheit zusammen mit einem starken Barbiturat verabreicht wurde. Das war deshalb notwendig, damit der Bursche nicht gleich die Rettung ruft, wenn er die Vergiftung wahrnimmt. Denn die Auswirkungen des Giftes sind ziemlich massiv. Der Körper wehrt sich mit Übelkeit, Erbrechen und Durchfall, das Immunsystem wird überaktiviert und bricht schließlich zusammen. Kein schöner Tod, wenn man ihn bewusst erlebt, aber ich nehme ja an, dass unser Medizinmann davon nicht viel mitbekommen hat. Zu wünschen wäre es ihm. Dazu kommen Spuren von Talkum an den Hand- und Fußgelenken, was darauf hinweist, dass die Personen, die ihn zum Fundort getragen haben, Gummihandschuhe getragen haben dürften.«
»Gibt es keine Spuren von Gewaltanwendung?«
»Nein, absolut nichts. Keine frischen Einstiche, nichts. Er muss das Mittel geschluckt haben. Wahrscheinlich in einem stark aromatisierten Getränk, und mit einem Barbiturat vermischt, das er zu sich genommen hat. Die Spurensicherung sollte noch auf eventuell herumstehende Gläser achten.«
»Was mich verwundert, ist die Tatsache, dass das Ganze in seinem OP passiert ist. Warum nimmt er dort Getränke zu sich? Hat er dort vielleicht eine Orgie gefeiert, die aus dem Ruder gelaufen ist?«, rätselte Vogel. »Kannst du sehen, ob er kurz vor seinem Tod Sex hatte?«
»Nein, nicht wirklich. Einen Orgasmus hatte er jedenfalls nicht.«
»Äußerst mysteriös, das Ganze – und einen Unfall, bei dem er das Gift versehentlich eingenommen haben könnte, schließt du auch aus?«
»Absolut, in der Konzentration und der Menge …«
»Und wie kommt man an dieses Zeug?«
»Das ist gar nicht so schwer, im Internet erhält man diesen Stoff auf Bestellung, wenn auch unter finanziellen Opfern«, antwortete Nekro sachlich. »Außerdem wird er in der Lebensmittelforschung angewendet. Auf jeden Fall muss sich der Täter in der Materie ausgekannt haben, denn in der richtigen Konzentration gibt es kein problemlos erhältliches Gift, das so schnell wirkt.«
»Der Idealtäter müsste also ein serbischer Lebensmittelforscher sein, der mit dem Bilovic ein Trinkgelage auf die gemeinsame Heimat in seinem OP abgehalten hat. Klingt irgendwie skurril. Ist es auch möglich, dass ein medizinischer Laie dieses Gift verabreicht haben könnte?«
»Neben krimineller Energie und gründlicher Recherche der Gifte und ihrer Auswirkungen bedarf es außer einer gewissen Handfertigkeit in solchen Dingen keiner anderen wesentlichen Talente. Eines darf jedoch als sicher gelten: Der Täter wollte nicht viel Zeit vergeuden. Da das Opfer Arzt war, hätte Bilovic bei jeder langsamer einsetzenden Vergiftungserscheinung sicherlich Verdacht geschöpft.«
Vogel schaute seine Kollegen etwas ratlos an.
»Sag’ einmal, lieber Nekro, ganz inoffiziell, hättest du wohl etwas dagegen, wenn du deinen Würfel dazu befragen würdest – so rein aus statistischen Gründen?«
Sogleich veränderte sich die Miene des Gerichtsmediziners. Lüstern kräuselten sich seine vollen Lippen, gerade so, als ob er kurz davor stand, in eine zwar verbotene, aber köstliche Frucht zu beißen.
»Du weißt doch, dass ich mein Orakel niemals für berufliche Zwecke missbrauche«, antwortete er wenig überzeugend, wobei man ihm ansah, wie sehr ihn die Sache reizte.
»Na komm, für uns kannst du es doch einmal machen, wir verraten es auch niemandem …«, drängte Vogel.
»… und machen bestimmt auch keinen Gebrauch davon, wir sind doch nur neugierig«, assistierte ihm Walz.
»Na schön, weil ihr es seid«, lenkte er ein, während er aus der Innentasche seines Sakkos einen Block, aus seiner rechten Hosentasche einen silbernen Bleistift und aus der linken Hosentasche seinen silbernen Würfel angelte. »Aber sagt um Gottes Willen niemandem etwas davon, sonst bin ich meinen Job los …«
»… und wir auch«, sagte Walz.
»Wer sind also die Verdächtigen? Ich brauche sechs Möglichkeiten.«
»Das sind also Sabine Schaub, seine Ex-Geliebte, Motiv gekränkte Eitelkeit, Esther Neuhold, seine derzeitige Geliebte, Motiv
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