Damian
Beklemmung in ihr auslöst. Ist vielleicht während des Abendessens jemand in ihrem Zimmer gewesen? Hat dieser Jemand ihre Kamera genommen und die Fotos gelöscht? Und wenn ja, warum? Fragen, auf die Rachel zunächst einmal keine Antworten finden wird. Sie senkt den Blick und schaut auf das Gerät in ihrer Hand. Ein Glück waren keine wichtigen oder gar einmaligen Fotos gespeichert. Sie steht von ihrem Bett auf und legt die Kamera in ihren Nachttisch. Dann geht sie zur Tür und verschließt diese zweimal. Sie ist zu müde um sich noch weitere Gedanken zu machen. Vielleicht sollte sie Rubins morgen beim Frühstück von diesem seltsamen Vorfall erzählen. Vielleicht fällt ihm ja eine plausible Erklärung ein. Rachel schlüpft unter die leichte Bettdecke und löscht das Licht. Ihr letzter Gedanke gilt Cunningham und der sanften Berührung seiner Hände auf ihrer Schulter, bevor sie ein tiefer Schlummer empfängt.
„Es ist alles erledigt, Sir. Haben sie noch einen Wunsch?“ Henry steht abwartend in Damians Arbeitszimmer. Er hat ihm eben berichtet, dass er die Fotos auf Rachels Kamera gesichtet und gelöscht hat.
„War etwas auf den Bildern, das uns gefährlich hätte werden können?“
„Nein, Sir, eigentlich nicht. Ich hielt es aber zunächst doch für angebracht die Bilder zu löschen, um ihnen die Gelegenheit zu geben, zunächst mehr über ihre Gäste zu erfahren und zu ergründen ob sie vertrauenswürdig sind. Ich denke Mrs. Fletcher ist eine gute Fotografin, sie hat ein Auge für interessante Motive. Aber sie hat nichts eingefangen von dem Grab, was nicht offensichtlich ist.“
„Gut gemacht, Henry!“, antwortet Damian geistesabwesend. Der Hausdiener zieht sich mit einer Verbeugung zurück und schließt leise die Tür hinter sich. Damian fährt sich mit kalten Händen durch die Haare. Verdammt, was ist in ihn gefahren? Unruhig läuft vor seinem offenen Fenster auf und ab. Er hätte sie niemals berühren dürfen. Niemals! Und doch konnte er diesem Drang nicht widerstehen. Als er vor ihr stand, den Duft ihres Blutes einatmete, in ihre Augen sah, da reagierte sein Körper ungewöhnlich heftig auf sie. Und ehe er sich versah, berührten seine Hände sanft ihre Schulter. Er bleibt vor der Terrassentür stehen und starrt hinaus in die Dunkelheit. „Verdammt, Rachel Fletcher! Warum bist du hier?“, flüstert er leise. Er schließt die Augen und ruft sich diesen Augenblick ins Gedächtnis zurück. Eigentlich muss er sich gar nicht bemühen sich daran erinnern. Sobald er die Augen schließt erscheint sowieso wie von Geisterhand ihr Gesicht vor seinen geschlossenen Lidern. Als er sie berührte, da war es, als wenn ein warmer Strom durch seine Hände, die Arme hinauf bis direkt in sein kaltes Herz floss. Er öffnet die Augen. „Das darf nicht sein. Nicht jetzt. Nicht jetzt, wo bereits alles zu spät ist.“ Und doch keimt dieses Etwas in ihm: Hoffnung! Seine dunklen Augen schauen in die sternenklare Nacht. „Rachel, wenn du wüsstest, in welche Gefahr du dich begeben hast…“
Am nächsten Morgen machen sich Rachel und der Professor bereits vor Sonnenaufgang auf den Weg. Nach einem raschen und trotzdem üppigen Frühstück kann es der Professor kaum erwarten, endlich an die Arbeit zu gehen. Ihr Gastgeber leistet ihnen an diesem Morgen erneut keine Gesellschaft. Henry richtet ihnen aus, dass der Hausherr aus geschäftlichen Gründen verhindert sei. Auf der Fahrt zum Basislager berichtet Rachel dem Professor von dem Verschwinden der gespeicherten Fotos und ihrer seltsamen Vermutung.
„Es war ein langer und anstrengender Tag gestern. Bist du sicher, dass du nicht vielleicht aus Versehen die Bilder gelöscht hast? Vielleicht als du die Kamera aus dem Rucksack genommen hast.“ Rachel schüttelt den Kopf:
„Nein. Es gibt eine Tastensperre, die solche Dinge verhindert.“ Nach einer Weile fügt sie mit einem Achselzucken hinzu:
„Was soll‘s. Die Bilder sind nicht mehr da. Das ist zwar ärgerlich, aber eben nicht zu ändern. Heute werde ich ganz bestimmt noch aufmerksamer sein.“ Damit zieht sie ihren Rucksack, in dem sich die Kamera befindet, noch näher an sich heran, wendet sich ab und schaut aus dem Fenster. Zurück bleibt jedoch ein Gefühl der Ungewissheit. Wenn wirklich jemand beim Abendessen in ihrem Zimmer war, warum hat er dann nur die Bilder gelöscht und nicht gleich die Kamera entwendet? Und wem würde sie eine solche Tat zutrauen? Am besten sie vergisst diese Sache
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