Damian
ist eine fade Masse, die ich in meinem Mund umher schiebe. Also habe ich gänzlich aufgehört zu essen. Und wenn ich gezwungen bin etwas zu essen, dann verträgt mein Magen es nicht mehr. Ich erbreche jede feste Nahrung.“ Rachel erinnert sich an die zwei Mal, in denen sie Damian essen gesehen. Glücklich sah er dabei wirklich nicht aus. Und plötzlich ist es wieder da, dieses beklemmende Gefühl, das sie jedes Mal erfasst, wenn sie spürt, dass Damian immer noch daran glaubt zu sterben.
„Das tut mir leid“, entgegnet sie zaghaft.
„Ich habe Dir schon einmal gesagt, ich brauche Dein Mitleid nicht. Es ist wie es ist. Seit mir ein Teil meiner Seele genommen wurde, verliere ich nach und nach, über die Jahrzehnte und Jahrhunderte meine menschlichen Sinne. Ich weiß, dass dies Anzeichen dafür sind, dass ich früher oder später sterben werde und ins Schattenreich einkehren werde.“ Damians Lippen haben sich zu dünnen Linien zusammengepresst. Eine belastende Stille breitet sich aus.
„Ich glaube nicht daran.“ Rachel schüttelt energisch den Kopf und Damian blickt erstaunt auf.
„Ich werde nicht hinnehmen, dass Du Deiner Sinne und Empfindungen beraubt wirst, nur weil ein Teil Deiner Seele unwiderruflich verloren ist. Ich bin jetzt bei Dir und ich werde alles tun, dass Du dieses Hirngespinnst aus Deinen Gedanken verbannst!“ Resolut richtet sie sich auf, nimmt die Gabel und pickt ein kleines Stück Fleisch auf. Dann führt sie die Gabel zu seinem Mund.
„Iss!“, verlangt sie. Damians Gesichtsausdruck könnte nicht erstaunter sein.
„Du stirbst nicht, Du hast nur Deine Sinne verloren, weil Du sie nicht mehr wahrhaben wolltest. Du hast Dich zurückgezogen, wie eine Katze, wenn sie nicht mehr leben will. Aber Du bist ein Vampir! Du kannst nicht sterben! Iss!“, fordert sie ihn erneut mit wütender Hilflosigkeit auf. Damian starrt sie an und je länger sie in seine traurigen Augen blickt, um so mehr beginnt ihre Hand mit der Gabel zu zittern. Schließlich nimmt Damian ihr die Gabel ab und schon rinnen Tränen über ihr Gesicht. Rachel wirft sich in seine Arme und schluchzt hemmungslos gegen seine Schulter.
„Du darfst nicht sterben. Bitte! Was soll ich ohne Dich nur machen?“ Damian hält sie gegen seinen Körper gepresst und tröstet sie.
„Ich bin noch lange bei Dir. Wir werden noch so viel Zeit miteinander verbringen. Es dauert schon so lange und es wird mindestens noch einmal so lange dauern. Und wenn ich eines Tages diese Welt verlasse, dann wird Deine Liebe immer bei mir bleiben und mich beschützen vor dem, was mich erwartet.“ Damians Stimme bricht und er presst sie noch fester an sich.
Sie lieben sich in dieser Nacht mehr als einmal. Auch wenn Rachel immer noch spürt, dass Damian sich zurücknimmt, so zeigt er ihr doch in jeder noch so winzigsten Berührung, bei jedem einzelnen leidenschaftlichen Kuss seine Liebe. Es kostet Rachel immer noch immense Beherrschung ihn nicht so berühren zu dürfen, wie sie es vor seiner Gefangenschaft bei Leylha getan hat. Aber sie ist sich sicher, dass die Zeit seine seelischen Wunden heilen wird. Und so lange wird sie warten und ihm die Zeit geben, die er braucht.
Edfu.
Rachel und Damian betreten den Horus Tempel am späten Nachmittag. Sie haben lange geschlafen, was Damian aber nicht ungelegen kommt, denn er versucht immer noch die pralle Mittagssonne zu meiden. Auch Rachel ist immer noch empfindlich gegen direktes, intensives Sonnenlicht und daher genießen sie es beide, lange in der abgedunkelten Kabine der Yacht im Bett zu liegen. Die Touristenströme ebben langsam ab und die Tempelanlage beginnt sich zu leeren, als Damian und Rachel Hand in Hand die vielen zahlreichen Reliefs des Tempels bewundern. Damian erzählt ihr aus längst vergangenen Zeiten, berichtet ihr von Legenden und Sagen von Königen und deren Königinnen, von Göttern und Gottwesen, von Liebe, Verrat und Rache. Rachel klebt an seinen Lippen und saugt alle Informationen in sich auf. Sie kann kaum die Kamera absetzen, so viele interessante Motive gibt es hier zu bestaunen. Damian ist in der Lage so lebhaft von der damaligen Zeit zu erzählen, dass Rachel sogar glaubt, Gerüche und Geräusche, Stimmen und Klänge wahrzunehmen. Als die Sonne schon längst hinter dem Horizont verschwunden ist, machen sie sich auf den Weg zurück zur Yacht. Damian sorgt dafür, dass eine Frau aus dem Dorf ihnen einen Eintopf auf das Boot bringt und das frisch gebackene Brot duftet
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