Damian
Haustür geöffnet. Ein Arzt und zwei Sanitäter betreten eilig das Haus.
„Wo?“, ist alles, was der Arzt fragt.
„Im Salon!“ Mit einer kurzen Handbewegung deutet Damian in die entsprechende Richtung. Er folgt den Medizinern und ist ein wenig erstaunt, dass Rachel immer noch genau an der Stelle steht, an der er sie zurückgelassen hat. Sie schüttelt kaum merklich den Kopf, so als müsse sie sich aus einer Starre lösen, um wieder in die Gegenwart zu gelangen. Der Arzt gibt schnelle und präzise Anweisungen an seine Leute und innerhalb weniger Minuten wird dem Professor ein Tropft gelegt, sein Blutdruck gemessen und einige Reflexe geprüft. Damian hat sich wieder an Rachels Seite gestellt, um bei nächster Gelegenheit noch einmal einen Blick in ihre Augen werfen zu können, aber es scheint, als wenn sie den Blickkontakt zu ihm meidet. Ihre Augen üben eine erschreckende Faszination auf ihn aus. Was gäbe er dafür zu wissen, welche Farbe sie haben. Sie müssen grün sein oder blau, so viel kann er erahnen. Wenn er Rachel tief in die Augen sieht, dann erfüllt ihn eine Leichtigkeit, als wenn schwere Lasten von seinen Schultern genommen werden. Was soll er nur tun? Rachel birgt ein Geheimnis in sich und sie weiß vermutlich nichts davon. Damian hat nur ein einziges Mal in seinem langen Dasein diese Art von Erfahrung gemacht. Nur ein einziges Mal in seinem unsäglich langen Leben gab es eine Frau, die ihm dieses tiefe Gefühl der Sicherheit und des Vertrauens schenkte. Und dieses eine Mal war mit seiner geliebten Frau. Sie war die einzige, die eine solche Faszination und Macht auf ihn ausübte. Aber das war zu einer Zeit, als er noch nicht mit diesem Gift in seinem Blut leben musste. Seit drei Jahrtausenden ist er auf der Suche, bewusst und unbewusst, nach einem Menschen, der Licht in sein Dunkel bringt, der ihn auffängt, wenn die Einsamkeit versucht ihn in die Tiefe zu zerren, der ihn wärmt, wenn die Kälte ihn erstarren lässt und inzwischen auch, der ihn miterleben lässt, was die Welt ihm bietet, der ihm sagen kann, welche Farben der Sonnenuntergang hervorzaubert, wie wunderschön das Summen der Bienen klingt und wie das süße Aroma einer reifen Feige schmeckt. Oh ihr Götter, ich flehe Euch an, wenn Rachel dieser eine, dieser besondere Mensch sein sollte, gebt mir ein Zeichen! Damian senkt den Blick und schließt seine brennenden Augen. Er wagt es nicht daran zu glauben, doch ein Funken Hoffnung bleibt. Vielleicht haben die Götter noch ein letztes Mal Erbarmen mit ihm, oder aber sie stürzen ihn in den alles verschlingenden Abgrund.
Rachel und Damian beobachten beide schweigend, wie der Arzt aus einer Ampulle eine gelbliche Flüssigkeit aufzieht, während ein Helfer Rubins Arm abbindet.
„Entschuldigen Sie, dass ich mich noch nicht vorgestellt habe“, richtet der Arzt seine Worte in einwandfreiem Englisch an Rachel und Damian, während er die Spritze überprüft.
„Dr. Achmed Ahgari. Notfallmediziner am hiesigen Krankenhaus. Wie lange ist der Biss her?“, schließt er nach seiner Vorstellung die nächste Frage an. Cunningham kommt Rachel zuvor:
„Zwanzig Minuten.“
„Hm, okay“, ist die für Rachel mehr als unbefriedigende Antwort.
„Wird der Professor es überleben?“, platzt es aus ihr heraus während sie zusieht, wie die Nadel der Spritze Rubins Haut in der Ellenbeuge durchbohrt.
„Wir werden sehen“, ist die knappe Antwort Dr. Ahgaris. Rachel wirbelt zu Cunningham herum und Tränen glitzern in ihren Augen.
„Bitte. Er darf nicht sterben. Bitte!“, bringt sie leise stockend über ihre Lippen. Damian tritt einige Schritte vor. Wieder ist er versucht, sie in seine Arme nehmen, sie zu trösten und ihr Hoffnung zu geben. Aber vor nicht einmal einer Stunde hat er sich vorgenommen, ihr möglichst aus dem Weg zu gehen, sie nicht zu nah an sich heran zu lassen. Wie soll er das Richtige tun, wenn das Falsche vielleicht die Antwort auf seine Fragen verbirgt? Ein innerer Kampf beginnt in ihm zu toben: ein Kampf zwischen dem, was vernünftig ist und dem, was er glaubt zu fühlen. Gefühle…
„Der Arzt tut sein bestes“, ist alles, was er mit ungewohnt krächzender Stimme von sich gibt. Rachel starrt ihn ungläubig mit ihren von Tränen gefluteten Augen an.
„Warum lässt sie das Schicksal meines Freundes so kalt? Haben Sie denn überhaupt kein Mitgefühl? Haben Sie kein Herz?“, platzt es aus ihr heraus. Sie starren einander an, während eine Träne langsam den Weg über Rachels
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