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Damiano

Damiano

Titel: Damiano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. A. MacAcoy
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Zeiten?«
    »Throne der was?« Sie puffte ihn so lange, bis er aufstand.
    »Der – die Berge. Den Monte Emilius und noch einen anderen. Siehst du nicht, daß ihre Schönheit herzzerbrechend ist?«
    Macchiata schnaubte voller Geringschätzung.
    »Ich sehe überhaupt nichts. Die Mauer ist viel zu hoch. Aber wenn Schönheit herzzerbrechend ist, will ich sie sowieso nicht sehen. Komm, Damiano. Du kannst hier nicht mitten im Wind stehenbleiben. Erst recht nicht jetzt, wo du ganz naß bist.«
    Demütig geworden vor dem Anblick solch göttlicher Pracht, ließ er sich von ihr weiterführen. Bald lugte das Dorf Sous Pont Saint Martin zwischen zwei Hügeln hervor. Damiano schritt zwischen ihnen hindurch in ein natürliches, von Felsen gebildetes kleines Tal, wo der Wind ziellos im Kreis umherfegte und den Schnee in hohen Spiralen in die Luft jagte.
    Die Westseite jeder Hütte wurde von einem weit vorspringenden Pfeiler aus weißem Schnee abgestützt. Dort, wo der Wind nicht hingelangte, war der Boden vor den Hütten mit Stiefelabdrücken und Hufspuren übersät. Hier waren vor nicht allzulanger Zeit viele Reiter gewesen.
    Aber jetzt war keiner mehr da. Das Dorf war verlassen. Die Stille dröhnte Damiano in den Ohren. Oder war es Macchiatas Knurren?
    Damiano sah verwundert zu der Hündin hinunter. Mit gespreizten Beinen stand sie kampfbereit da, die Rückenhaare aufgestellt. Voller Nervosität blickte sie ihn an.
    »Kehren wir um«, sagte sie. »Gehen wir zur Straße zurück.«
    »Aber warum denn, Macchiata? Hier können wir unterschlüpfen. Meine Füße sind völlig erfroren. Was ist denn, meine Kleine? Riechst du Soldaten?«
    »Ja. Nein. Jetzt keine Soldaten mehr. Nur Blut. Gefrorenes Blut.«
    Damiano tat einen vorsichtigen Schritt vorwärts. Macchiata stellte sich vor ihn, um ihm den Weg zu versperren.
    »Nein, Herr. Du bist zu empfindsam. Dir tut es schon weh, einen Berg anzusehen. Dies hier wird dir noch viel weher tun. Kehren wir doch um. Hier sind unsere Leute nicht.«
    Damiano stieg die Röte in die Wangen. Verärgert sah er die Hündin an.
    »Schönheitsliebe ist nicht das gleiche wie Feigheit, Macchiata. Habe nicht ich meinen Vater gefunden, als er unter Qualen starb? Und bin ich nicht mit den Worten Pater Antonios aufgewachsen, der uns immer wieder daran erinnerte, daß alles Fleisch das Futter von Würmern ist – das Fleisch der Hunde ebenso wie das der Menschen, meine Kleine. Vor Toten habe ich keine Angst.«
    Die Hündin senkte den Kopf, und Damiano eilte an ihr vorüber.
    In der Mitte des durch die Hütten gebildeten Kreises erstreckte sich eine kleine Wiese, auf der im Sommer die Hühner gackerten, hier und dort auch eine angepflockte Ziege meckerte. Jetzt war die Wiese von Schnee und Eis bedeckt; nur an manchen Stellen, wo der Wind am heftigsten gestürmt hatte, waren die braunen Stoppeln dürren Grases zu sehen. Auf der Wiese lagen die entseelten Körper von drei Männern und einer alten Frau, von der eisigen Kälte im Zustand ihres Todes gefroren. Die Ränder ihrer vielen Wunden waren frisch und klar, hatten die Farbe von gutem Schweinefleisch.
    Zu Damianos Füßen lag der abgetrennte Kopf eines der Männer, eines jungen Bauern mit einem roten Bart. Die weiße Haut war blau geädert, wächsern. Der Hals war glatt durchgeschnitten; sah mit der Wölbung der hohlen Luftröhre und dem Rückgrat auf der Hinterseite aus wie ein Stück Fisch. Eiskristalle hatten sich an den Rändern der blutleeren Adern gebildet. Das Gesicht trug einen Ausdruck der * Verwunderung. Die Augen, von denen das eine weiter geöffnet war als das andere, blickten über Damianos Schulter zum Himmel hinauf.
    Damiano fand, er hielte sich sehr gut. Aber als er sich bewegen wollte, fing die grauenvolle Wiese plötzlich an zu schwanken, und nur mit Hilfe seines Stabs konnte er sich auf den Beinen halten.
    Er schlurfte von einer Leiche zur anderen, wobei er ein Gebet für die Toten hervorstieß, das gleichzeitig eine Bitte an Christus war, ihn in diesem Augenblick seiner schrecklichen Übelkeit nicht zu verlassen. Er wagte nicht, Macchiata anzusehen.
    Der Kopf war das Grauenvollste, die alte Frau aber war der traurigste Anblick. Sie nämlich war niedergetrampelt worden, und man hatte ihr den dunklen Rock heruntergerissen. Um jede der Leichen war der Schnee in einem blassen Rot gefärbt, nicht unähnlich der Farbe des Steins, der den Knauf von Damianos Stab zierte.
    Er hob den Kopf, als er rhythmisches Schlabbern hörte. Ein Hund leckte den

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