Damiano
Soldaten hatten sich aufgerappelt und standen an den Fels gepreßt wie gelähmt da. Einer hielt einen Bogen. Mit ungeschickten, zuckenden Bewegungen hob er ihn, richtete seinen Pfeil auf Damiano.
Ohne Hast, ja, ganz ohne Eifer, stellte Damiano seinen Stab zwischen sich und dem Bogenschützen auf. Er zog den Pfeil an, wie Damiano beabsichtigt hatte. Der schlanke, gefiederte Pfeil brach in Stücke.
Aber der Bogenschütze war nicht allein. Gebeugt, den Kopf gesenkt, als kämpfe er gegen den Wind, stolperte ein Mann Damiano entgegen. Es war wieder der Hauptmann der Truppe. Im Gürtel steckte noch sein Schwert, und während er sich dem Zentrum seines Entsetzens näherte, zog er es aus der Scheide und richtete sich gerade auf.
So, dachte Damiano, während er dem Mann, der vor ihm stand, ins Gesicht sah. So, dachte er, als er das blitzende graue Metall sah.
Er verstand sich nicht aufs Kämpfen, ob mit Schwertern oder anderen Waffen. Und hätte er die Kraft besessen zu fliehen, so wäre ihm keine andere Möglichkeit geblieben, als dem Ochsengespann zu folgen. Aber seine Kräfte waren sowieso verbraucht, und alles war ihm gleichgültig geworden.
So, dachte Damiano bei sich und wartete darauf, was geschehen würde.
Der Hauptmann schwang sein Schwert in die Höhe, um dem Feind mit einem Schlag das Haupt abzutrennen, doch da sauste Bellocs Hammer auf den Kopf des Mannes nieder. Unter dem Helm aus Leder und Eisen zerbarst der Schädel des Hauptmanns. Damiano sah auf und gewahrte vor sich Bellocs aschfahles Gesicht. Die Lippen des Schmieds waren grau vor Entsetzen, doch er blickte nicht auf die blutige Vernichtung, die er bewirkt hatte. Er starrte Damiano an. Da verfolgte Damiano den Tod von Pardos Hauptmann mit seinem befremdlichen Blick. Grün-goldenes Licht flackerte über die reglose Gestalt und verbrannte sie wie ein in Öl getauchtes Bündel Lumpen.
Dann erlosch das Feuer, und von dem Mann blieb nichts zurück.
Verschwunden. Entflohen. Seine Hülle war nicht mehr vorhanden. Damiano zwinkerte verdutzt; es war der Tod und doch nicht das, was er zu kennen geglaubt hatte. Es war kalt und beängstigend wie eine Nacht ohne Sterne, aber es war nicht der bewußte Tod, wie er ihn gekannt hatte, Verzweiflung in verfaulendem Fleisch. Es war nicht das, was ihn aufschreien ließ. Damianos grauenvoller Schrei brach jäh ab.
Belloc holte tief Atem.
»Junger Herr«, stieß er hervor, »seid Ihr denn der Satan selbst?
Oder wie kommt es, daß Ihr nicht geborsten seid, als Ihr dies tatet?«
Damiano hörte die Stimme, verstand aber nicht die Worte. In seinen Ohren toste donnerndes Schweigen. Sein Blick wanderte müde von Bellocs Gesicht zu dem schwarzen, mit Blut bespritzten Hammer.
»Ah, der Hammer. Ja, Belloc. Das kam zur rechten Zeit.«
Er lächelte Belloc an, er versuchte es jedenfalls.
Die Bürger von Partestrada eilten schwerfällig die Straße herauf, in den rotgefrorenen Händen ihre primitiven Waffen haltend. Sie fielen über die halb betäubten Soldaten her wie Männer, die Weizen dreschen. Damiano ging zu den beiden verbliebenen Ochsenkarren, wo eines der Tiere tot im Geschirr hing. Er warf keinen Blick zurück auf das Gemetzel.
Die Frauen kauerten noch im mittleren Karren; sie waren dort angebunden. Damiano sah in Gesichter, die er kannte.
Die alte Signora Anuzzi war darunter, wie ein schwarzer Sack in eine Ecke gestopft. Und Lidia Polsetti und Vera Polsetti und die kleine Françoise. Und Signora Mellio, die Pater Antonio den Haushalt führte. Und Bernice Roberte. Sie weinten alle. Die Gesichter waren tränenüberströmt. Damiano konnte es ihnen nicht verübeln; er selbst hatte dieses Elend über sie gebracht, und wenn er auch nicht gefesselt war, so fühlte er doch mit ihnen.
Stöhnend vor Anstrengung zog er sich auf den Karren. Als er auf die Holzbretter niederfiel, schlossen sich seine Augen. Da hörte er plötzlich die einzige Stimme, die ihn aufmuntern konnte.
»Dami! Damiano, bist du verwundet? Hat dich der Pfeil vorhin getroffen? Dami, sprich, sag etwas!«
Er öffnete die Augen und sah in Carla Denezzis von Wind und Kälte rauhes und vor Angst weißes Gesicht.
»O Bella! Bellissimia!« flüsterte er und lächelte sie an, als wären sie allein.
Sehnsüchtig streckte Carla die gefesselten Arme aus. Ungeschickt berührte sie seine Brust an jener Stelle, wo der Pfeil einen sauberen kleinen Schlitz hinterlassen hatte, der nicht länger war als das letzte Glied eines Fingers. Er nahm ihre Hände in die seinen
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