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Damiano

Damiano

Titel: Damiano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. A. MacAcoy
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hören, welchen Weg sie nahm.
    »Weißt du – Kleine«, keuchte er, während er sich durch hüfthohes Dornengestrüpp kämpfte, »wenn Saara tatsächlich eine aus ihrer Heimat Verbannte ist, dann wird unsere Aufgabe vielleicht ganz einfach sein. Denn wie könnte sie dann kein Mitgefühl für Partestrada empfinden?«
    Eine schwarze Nase tauchte auf und dann eine weiße Schnauze, an der die Kletten in Ballen hingen.
    »Eine Verbannte ist doch jemand, die von zu Hause weggejagt worden ist, nicht wahr, Herr? Aber wenn die Frau hier von zu Hause weggejagt worden ist, wie soll sie’s dann fertigbringen, die Soldaten aus Partestrada wegzujagen? Ich meine, sie ist vielleicht gar nicht wild genug.«
    Damiano blieb stehen. »Das ist ein Gedanke, Macchiata. Aber wir wissen eigentlich gar nicht die Wahrheit über Saaras Zuhause. Ich weiß nur, daß mein Vater sagte, sie wäre die mächtigste Hexe in ganz Italien. Und außerdem sind wir ja zwei – sie und ich. Ich bin zwar nicht der mächtigste Hexer in ganz Italien – gehöre vielleicht gar nicht zu den mächtigsten –, aber ein bißchen was vermag ich auch.«
    »Aber natürlich, Herr«, pflichtete die Hündin mit Überzeugung bei.
    Sie kam herübergewatschelt und stemmte eine schmutzige weiße Pfote an Damianos Knie. Er kraulte ihr die Ohren, während er den Weg musterte, der vor ihm lag. Er verschwand unter einem Torbogen aus Fichten, der so dunkel war wie das Portal zu einer Grabkammer. Damiano richtete sich auf und sah gespannt zu dem dunklen Tor. Er stützte sich auf seinen Stab und musterte es aufmerksam.
    »Da! Das da vorn ist das Tor zu Saaras Garten. Nicht sehr einladend, wie?
    Aber ich wittere Zauberei«, fügte Damiano hinzu und schritt weiter voran.
     
     
    Obwohl es drinnen dunkel war, war es wenigstens wärmer, und Damiano konnte ja im Dunklen recht gut sehen. Die Luft war schwer vom Duft der Fichtennadeln, der zum Niesen reizte. Steil schlängelte sich der Pfad in die Höhe. Vielleicht war es wirklich nur ein Ziegensteig und war von Menschen nie begangen worden. Aber wenn es ein Ziegensteig war, dann wartete jenseits des finsteren Waldes etwas anderes, denn Ziegen leben nicht von Fichtennadeln.
    »Gut, daß wir Festelligambe nicht mitgenommen haben«, flüsterte Damiano. »Er käme auf diesem Pfad nicht gut zurecht.«
    Die Hündin tat knurrend ihre eigene Meinung kund.
    Vor ihnen schimmerte Licht auf. Es leuchtete auf einem Felsvorsprung, den Damiano nur auf allen vieren, den Stab in die Achselhöhle geklemmt, erklimmen konnte. Jedesmal, wenn die Laute gegen seinen Rücken schlug, zuckte er zusammen; nicht weil es ihm weh tat, sondern weil er um das Instrument fürchtete. Als er die Anhöhe erklommen hatte, war er einen Moment lang von Sonnenlicht geblendet. Dann sah er seine Hände, wund und aufgeschrammt, mit einer feinen Schicht pudrigen Sandsteins bedeckt. Er setzte sich auf und ließ es zu, daß Macchiata ihm die Hände mit ihrer Zunge ableckte.
    »Sieh, Macchiata«, rief er. »Der Garten der Hexe. Ich wollte, es wäre mein eigener.«
    Es war ein verwilderter Garten, in dem das Gras kniehoch wucherte. Die Halme wiegten sich im sanften Wind. Schwarze Baumstümpfe und Äste verstopften den Bach, der kreuz und quer durch die Wiese wanderte und sie in kleine Inseln aufteilte. Vom Wind ausgeschliffene Felsbrocken lagen umher, nicht vom Zufall verstreut, sondern wie von sorgsam achtloser Hand hingeworfen. Ein Stück weiter oben war ein Birkenwäldchen. Die gelben Blätter, die noch an den Bäumen hingen, knisterten wie Papierfähnchen im Wind.
    Aber es war eine freundliche und behagliche Wildnis. Warm schien die Sonne auf Grasflächen, die noch einen grünen Schimmer zeigten, und auf Blumen, die noch auf der Wiese wuchsen: späte Astern und Herbstzeitlose, bronzerot und zartlila. Sogar die umherliegenden Felsbrocken hatten etwas Liebliches an sich. Sie waren von einem tiefen Ziegelrot und rundherum ausgehöhlt und durchlöchert, so daß eine Vielfalt von Pflanzen – Gräser, vielleicht auch eine Kornblume – auf ihrem Rücken gedeihen konnte.
    Damiano fühlte, wie die Sonne seine Lippen berührte. Er mußte gähnen.
    »Hier rasten wir«, sagte er zu Macchiata. »Vielleicht bleiben wir den ganzen Tag hier. Unser Mittagsmahl können wir auf der Südseite von dem großen Felsen da halten.«
    Macchiata war mit dem Vorschlag einverstanden, und die beiden marschierten durch das hohe, weiche Gras zu dem am weitesten entfernten Felsbrocken, der wie ein Thronsessel

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