Damit Dein Leben Freiheit Atmet
geschieht auch Reinigung. Die innere Quelle wird die verwundeten Stellen durchströmen und so von Eiter und Schmutz reinigen. Manche Klienten fühlen sich verflucht, weil sie diese traumatischen Erfahrungen machen mußten. Die Aufgabe der Therapie ist, sie von diesem Fluch zu befreien und von allen Makeln zu reinigen, die dieser Fluch mit sich trägt.
Doch der Weg der Reinigung geschieht vor allem über die Stärkung des wahren Selbst. Wenn die Klientin sich gesegnet fühlt, bedingungslos angenommen und geliebt, löst sich der Fluch der Ablehnung von selbst auf.
Für C. G. Jung geschieht die Reinigung vor allem durch das Ausdrücken der inneren Bilder, etwa indem jemand seine Träume aufschreibt oder malt oder im Tanz darstellt. Die Bilder des Unbewußten brauchen einen Ausdruck. Sonst
überschwemmen sie die Psyche des Menschen und
verunreinigen sie. Jung hat die aktive Imagination entwickelt.
Sie besteht darin, die Bilder des Unbewußten in sich aufsteigen zu lassen und sie in eine ganz bestimmte Richtung zu führen.
Jung warnt davor, in der aktiven Imagination seine aggressiven Impulse oder seine Machtbedürfnisse auszuphantasieren. Die aktive Imagination hat das Ziel, sich von destruktiven Tendenzen zu befreien, indem man entweder das Gespräch mit ihnen beginnt oder aber indem man sie herauswirft. So ist eine Weise der aktiven Imagination, den inneren Schmutz, der sich in mir angesammelt hat, hochkommen zu lassen und dann aus mir herauszuwerfen. Manches - so meint Jung kann man nicht bearbeiten. Davon kann man sich nur lösen, indem man es aus sich herauswirft.
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Eine psychologische Schule hat bewußt den Begriff der Katharsis für sich in Anspruch genommen: Es ist Jakob Moreno, ein amerikanischer Psychologe, der das Psychodrama entwickelt hat. Im Psychodrama geht es um eine Läuterung und Wandlung der Emotionen, indem man sich in bestimmte Rollen
hineinspielt und durch Spielen neue Möglichkeiten in sich entdeckt. Man erwartet eine Katharsis durch das dramatische Darstellen der Konflikte. Diese Methode wird auch im Bibliodrama verwendet. Es fußt letztlich auf der Katharsis-Lehre von Aristoteles, der dem Schauspiel eine reinigende Wirkung zugeschrieben hat. Doch sowohl im Psychodrama als auch im Bibliodrama schaue ich nicht als passiver Beobachter zu, vielmehr spiele ich selber mit. Ich schlüpfe im Bibliodrama in die Rolle einer biblischen Figur und stelle darin meine eigenen Sehnsüchte, Bedürfnisse und Verletzungen dar. Indem ich vor anderen und im Gespräch mit ihnen mich selber darstelle, kann sich in meiner Seele etwas klären. Alte Verwicklungen lösen sich auf, und ich fühle mich nachher wie nach einem Bad gereinigt.
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VI. Der spirituelle Weg als
Reinigung
Viele Menschen suchen heute nach einem spirituellen Weg.
Oft genug suchen sie diesen Weg außerhalb der Kirche. Sie vermissen in der Kirche die spirituelle Dimension. Oder sie trauen der Kirche nicht zu, daß sie ihre geistlichen Erfahrungen versteht und sie darin zu begleiten vermag. Viele Menschen machen außerhalb der Kirche mystische Erfahrungen. Und ich habe eine hohe Achtung vor der Ernsthaftigkeit, mit der sie sich auf den mystischen Weg machen. Doch immer wieder erlebe ich auch, daß sie zu schnell auf Erleuchtung aus sind. Sie sind fasziniert von den Schriften der Mystiker und möchten ihre Erfahrungen teilen. Oft überspringen sie dann jedoch den ersten Schritt auf ihrem Weg zur Erleuchtung. Der mystische Weg beginnt mit der Via pur gativa, mit dem Reinigungsweg. Auf diesem Weg der Reinigung geht es darum, meine Beziehung zu Gott, zu mir selbst und zu anderen zu reinigen.
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Unsere Beziehung zu Gott
Wenn ich mich auf den Weg zu Gott mache, werde ich zuerst mit meinen Gottesbildern konfrontiert. Welchen Gott suche ich überhaupt? Ist das wirklich Gott, oder ist es meine Projektion?
Wenn ich meine Gottesbilder ehrlich anschaue, entdecke ich, daß sie von meinen frühkindlichen Erfahrungen geprägt sind.
Das ist normal. Doch wenn ich mir die Vermischung meiner Gottesbeziehung mit meiner Beziehung zu Vater und Mutter nicht bewußt mache, wird Gott nur zum Vater- oder
Mutterersatz. Ich übersteige dann nicht die Ebene von Vater und Mutter, um offen zu werden für den ganz anderen Gott. Dann projiziere ich mein Mißtrauen, das durch eine nicht gelungene Vaterbeziehung entstanden ist, auf Gott. Meine Angst vor dem Leben wird zur Angst vor Gott.
Wenn ich meine Beziehung zu Gott anschaue, stoße ich immer auch
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