Damit Dein Leben Freiheit Atmet
sie ununterbrochen. Sie kreisen schweigend um ihre Unzufriedenheit oder um die Menschen, die ihnen auf die Nerven gehen. Sie fressen den Ärger in sich hinein. Sie halten ununterbrochen nörgelnde Selbstgespräche. Dann nützt das Schweigen gar nichts. Schweigen bedeutet, das, was in mir immer wieder auftaucht, loszulassen. Aber es gilt das spirituelle Grundgesetz: Ich kann nur loslassen, was ich angenommen habe. Ich muß das, was in mir auftaucht, anschauen. Ich muß mich dem Schmutz stellen. Dann kann ich mich davo n distanzieren und ihn loslassen.
Manchmal muß ich dem inneren Lärm aber auch beherzt entgegentreten und ihn zum Schweigen bringen. Das
Markusevangelium berichtet uns, daß die Jünger in ihrem Boot in einen heftigen Wirbelsturm gerieten. Während sich die Jünger mit Rudern abmühten, schlief Jesus hinten im Boot. Als sie ihn aufweckten, »stand er auf, drohte dem Wind und sagte zu dem See: Schweig, sei still! Und der Wind legte sich, und es trat völlige Stille ein.« (Mk 4,39) Der innere Sturm in uns entsteht, wenn wir nicht mehr in Berührung sind mit dem Jesus in uns, mit unserer inneren Mitte, mit unserem wahren Selbst. Wir müssen dann wieder Fühlung aufnehmen mit dem Christus in uns und wie Jesus aufstehen und den inneren Turbulenzen gebieten, daß sie schweige n sollen. Manche Gedanken, die immer wieder in uns auftauchen und uns innerlich beschmutzen, müssen wir kraftvoll aus uns herauswerfen, damit wir wieder klar denken können. Das ist kein Unterdrücken, sondern ein bewußtes Gebieten, damit das Selbst wieder Herr im Hause ist und sich nicht mehr von tausend Gedanken hin- und
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herschaukeln läßt.
Das Schweigen kann wie ein Bad sein, in das die Seele eintaucht. Wenn ich einen ganzen Tag schweigend wandere, dann fühle ich mich danach anders. Ich habe im Schweigen gar nicht viel bearbeitet. Die Stille war vielmehr wie ein reinigendes Bad für meine Seele. Es ist etwas zur Ruhe gekommen. Vieles ist einfach abgefallen. Beim Bad reibe ich nicht gewaltsam den Schmutz ab. Wenn ich mich in die Badewanne lege, dann löst sich der Schmutz von selbst auf. So ähnlich ist es mit dem Schweigen. Das, was mein Inneres verunreinigt hat, löst sich langsam auf. Und die Seele kann wieder frei atmen. Wir brauchen immer wieder solche Zeiten der Stille, in denen sich lösen kann, was sich in unserer Seele an Staub angesammelt hat.
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Musik
Für die Pythagoreer war die Musik ein wichtiges Mittel der Reinigung. Diese Erfahrungen machen auch heute viele Menschen. Mir erzählte ein Mann, er höre immer klassische Musik, wenn er sich innerlich zerrissen und emotional aufgewühlt fühle. Wenn er sich auf die Musik einläßt, dann fühlt er sich nachher wie gereinigt. Pythagoras war der Überzeugung, daß die emotionale Verschmutzung auch den inneren Rhythmus durcheinanderbringt. Der Mensch ist nicht mehr im Einklang mit sich selbst. Es ist ein seelischer Mißklang, der ihn bestimmt.
Die Musik stellt den inneren Rhythmus wieder her und führt den Menschen dazu, wieder mit sich in Einklang zu kommen. Wir wissen oft nicht, warum wir uns nach einer schönen Musik innerlich gereinigt fühlen. Vielleicht kommt es daher, daß wir durch die Musik unseren eigenen Rhythmus finden und alles von uns wegfällt, was diesen Rhythmus verhindert und uns aus dem Gleichgewicht bringt. Wer sich im Einklang mit sich selbst fühlt, der erfährt dieses Gefühl als innere Reinigung.
Wenn ich eine Bachkantate höre - mit dem Kopfhörer und bei geschlossenen Augen -, dann erfahre ich manchmal eine innere Läuterung. Die Musik durchdringt meinen ganzen Leib. Bachs Musik ist für mich heilende Musik. Sie ist in sich klar und klärt in mir das Trübe. Wenn ich nur Ohr bin für diese Musik, dann erlebe ich mich nach einer Kantate aufgeräumter, klarer, durchsichtiger. Oder wenn ich das »Et incarnatus est« aus der Großen Messe C-Moll von Wolfgang Amadeus Mozart höre, mit der klaren Stimme von Maria Stader, dann erfahre ich, wie sich alles Trübe in mir aufhellt. In der Musik berühre ich das Geheimnis der Menschwerdung Jesu. Er steigt in meine Wirklichkeit hinab und reinigt in mir, was vermischt ist mit dem Unrat, der täglich auf mich einströmt und sich in mir festsetzt.
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Mir erzählen viele Priester, daß sie sich mit ihren Abendritualen schwertun. Sie kommen frustriert von einer Sitzung zurück. Sie fühlen sich innerlich verstaubt von den oberflächlichen Diskussionen oder gar beschmutzt von den
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