Damit ihr mich nicht vergesst - Die wahre Geschichte eines letzten Wunsches
Lächeln.
»Ich gehe einkaufen, Al«, sagte sie.
»In Ordnung. Wir werden dich vermissen.« Der Rebbe faltete die Hände vor dem Bauch, und die beiden lächelten sich an.
Ich dachte an die Verpflichtung, die sie eingegangen waren, an ihr gemeinsam verbrachtes Leben. Und daran, wie sehr der Rebbe nun auf Sarah angewiesen war. Ich sah die beiden auf dem Bettrand sitzen, Hand in Hand. Eine Form von Glück, die man allein nicht erlangen kann.
»Ich wollte dich etwas fragen«, sagte der Rebbe zu seiner Frau.
»Was denn?«
»Tja … inzwischen habe ich es schon wieder vergessen.«
»Okay«, sagte sie lachend. »Die Antwort lautet nein.«
»Oder möglicherweise nein?«
»Na gut, möglicherweise nein.«
Sie kam zu ihm und schüttelte ihm die Hand.
»War nett, Sie kennenzulernen.«
Er lachte. »Es war mir ein Vergnügen.«
Die beiden küssten sich.
Ich weiß nicht, was ich von dieser Sache mit den vierzig Tagen vor der Geburt halten soll, aber in diesem Moment hätte es mich nicht überrascht, wenn jemand zwei Namen vom Himmel herabgerufen hätte.
Als Kind bin ich mir ganz sicher, dass ich niemals eine Frau heiraten werde, die nicht meine Religion hat.
Als Erwachsener tue ich es dennoch.
Meine Frau und ich heiraten auf einer Insel in der Karibik. Es ist ein strahlender Tag. Jemand aus ihrer Familie liest etwas aus der Bibel vor. Meine Geschwister singen ein lustiges Lied. Ich zertrete ein Glas. Die Eheschließung wird von einer einheimischen Standesbeamtin vorgenommen, die uns danach ihren persönlichen Segen mit auf den Weg gibt.
Wir stammen aus zwei unterschiedlichen Religionen, doch wir einigen uns in Liebe auf folgende Lösung: Ich achte ihren Glauben, sie achtet meinen, wir nehmen gemeinsam an unseren jeweiligen religiösen Zeremonien teil. Dabei sprechen wir nicht alle Gebete mit, sagen jedoch immer »Amen«.
Dennoch gibt es Momente, in denen es schwierig ist: Wenn meine Frau Sorgen hat, bittet sie Jesus um Hilfe. Ich höre sie dann beten und fühle mich ausgeschlossen. Wenn man jemanden heiratet, der eine andere Religion hat, verbinden sich nicht nur zwei Menschen, sondern auch zwei Lebensgeschichten und zwei Traditionen – Erzählungen von der Kommunion und Fotos von der Bar Mizwa. Und obwohl meine Frau manchmal sagt: »So anders sind wir doch gar nicht, ich glaube auch an das Alte Testament«, haben wir eben doch einen unterschiedlichen Hintergrund.
Sind Sie böse auf mich wegen meiner Heirat?, frage ich den Rebbe.
»Warum sollte ich böse sein?«, fragt er zurück. »Was sollte Zorn denn nützen? Ihre Frau ist ein wunderbarer Mensch, und Sie beide lieben sich. Das sehe ich doch.«
Und wie vereinbaren Sie diese Haltung mit Ihrem Beruf?
»Nun, wenn Sie eines Tages zu mir sagen würden: ›Wissen Sie was? Meine Frau will zum Judentum übertreten‹, na ja, dann wäre ich nicht verärgert darüber. Und bis dahin …«
Er trällerte. »Bis dahiin …vertrahagen wir uns alle gut …«
Henrys Leben
M anchmal kam ich nicht umhin, den Rebbe und Pastor Henry miteinander zu vergleichen. Beide sangen für ihr Leben gern. Beide hielten Predigten, die es in sich hatten. Wie der Rebbe, so betreute auch Henry schon sein Leben lang eine einzige Gemeinde und war sein Leben lang mit derselben Frau verheiratet. Und wie Albert und Sarah Lewis hatten Henry und Annette Covington einen Sohn und zwei Töchter und ein Kind verloren.
Mehr Gemeinsamkeiten gab es allerdings nicht zwischen den Paaren.
Henry sah seine künftige Ehefrau nicht bei einem Vorstellungsgespräch zum ersten Mal, sondern beim Würfeln.
»Komm schon, sechs!«, schrie sie, als sie mit seinem älteren Bruder auf einer Türschwelle die Würfel warf. »Los, gib mir ’ne Sechs!«
Sie war damals fünfzehn und Henry sechzehn, und er war verloren, vom ersten Moment an so entbrannt in Liebe, wie man es in Zeichentrickfilmen sieht, wenn Amor einen Pfeil schießt. Manch einer mag ein Würfelspiel nicht romantisch finden und denken, dass ein Mann Gottes seine Frau anders kennenlernen sollte, aber Henry und Annette waren wie füreinander geschaffen. Als Henry mit neunzehn ins Gefängnis kam, sagte er zu ihr: »Ich erwarte nicht von dir, dass du sieben Jahre wartest.« Sie antwortete: »Und wenn es fünfundzwanzig wären, dann wäre ich immer noch da.« Eine wahrhaftige Liebe kann in jeder Form auftreten.
Während Henrys Haftzeit stieg Annette an jedem Wochenende um Mitternacht in einen Bus, der sechs Stunden später an dem Gefängnis hielt. Wenn die
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